600 Jahre Solingen

Solingen hat zwei Geburtstage. Den am 23. 2. 1374, als die Stadtrechte verbrieft wurden und den 1. August 1929, als fünf bis dato selbständige Gemeinden zur Großstadt Solingen zusammengefasst wurden. Vielleicht hat Solingen aber an die 100, 200 Geburtstage: all die Gründungsdaten der Hofschaften, die dann irgendwann mal größer wurden oder so blieben wie sie schon immer waren.

 

Schon lange ist Solingen Großstadt, mit rund 165.000 (davon unter 50 Tsd. berufstätig) zählt sie zu den 50 größten Deutschlands. Doch die Entwicklung zeigte sich über Jahrhunderte eher sehr schwach steigend, eine "Bevölkerungsexplosion
" gab es erst um ca. 1900

 

Einwohner
(i.Tsd)

um
1800
um
1850
um
1900
um
1950

um
2000

Alt-Solingen 3 6 45 45  
Dorp 4 6

(mit Solingen vereint)

Ohligs/Merscheid 3 6 26 40  
Wald 3 5 23 30  
Höhscheid 4 7 14 20  
Gräfrath 2 5 9 13  
GESAMT 19 33 117 148 165

 

1974 gab es über Solingen zu berichten:

 

Druck: Wilh. Müller jr., Ohligs

Allgemeines

Die Stadt ist exakt 79,99 qkm groß. die Stadtgrenze 48,5 km lang; sie dehnt sich Nors-Süd 10,6 kam, Ost-West 13,1 kam aus, 200 Meter weniger, als die Wuppertaler Schwebebahnstrecke lang ist.

 

 
Rat der Stadt

Hat (1973) 51 Mitglieder, davon 25 der SPD angehörig, 21 CDU und 5 FPD; Überbürgermeisterin ist (als zweite ihres Amtes in Deutschland) Elisabeth Roock (SPD), Bürgermeister Walter Freund (FDP), König von Höhscheid (Nachfolger: Kurt Meis, jedoch anderer Fraktion). Der Rat tagte 40 Stunden und befaste sich mti nur 274 Tagesordnungspunkten (das machen die heute in einer Sitzung), 17 Mal kam man im Jahr zusammen. Der verwunderlichste Ausschuss war ein "Beschlussausschuss" (wieso, konnte die sonst keiner treffen ????) und Führung von RM Küppers. Auch einen Ausschuss für zivile Verteidigung gab es (OB Roock) und einen Stadtreinigungsausschuss (RM Bremer). Der Sport fest in roter Hand: RM Deichmann machte vor, was heute RM Lauterjung tun sollte.
An Häuptlingen war kein Mangel, neben Oberstadtdirektor Dr. Fischer leiteten Dezernate Dr. Zimmer, Dr. Kesseler, Schulte, Engelen, Helbig, Reininghaus und Krag.
Insgesamt arbeiteten  3.560 Menschen als städtische Beamte, Arbeiter und Angestellte, inklusive Pflegepersonal und Städtischem Orchester (immerhin 45 Musiker).

Im Landtag wurde Solingen von Heinz Dunkel (SPD) sowie (über Landesliste) Werner Helbig (FDP) vertreten , im Bundestag wirkte sein Genosse Heinz Schreiber.
EDV (bitte halten Sie sich jetzt am Stuhl sehr, sehr fest !!!)

Liebe Eltern. Bitte machen Sie Ihren Kindern klar, dass es sich beim Hauptspeicher, dem RAM, wirklich um kb, KILO-Byte handelt und nicht um MEGA-Byte (dem 1.024-fachen). Mit 240 kb (nochmal: KILO-Byte, NICHT MEGA-Byte, und 240, nicht 2.400) betrieb man die EDV der gesamten Stadt. Liebe Eltern, nehmen Sie Ihrem Kind jetzt sofort die Spiele-Konsole weg, denn in Bezug auf Hauptspeicher-Kapazität beherrscht Ihr Kind das gesamte Universum ! Das ist viel zu gefährlich !

 

Ausgaben 1974 (Auszüge)

Umbau Rathaus Höhscheid 0,6 Mio
Grundschule Börkhaus/Siebels 2,7 Mio
andere Schul-Um- und -Anbauten ca. 4,5 Mio
Neubau Hauptschule Wald 3,2 Mio
Neubau Schule Rennpatt / Heiligenstock 3 Mio
Neubau Sporthalle Kannenhof 1,2 Mio
Ausbau Humboldt-Gymnasium 2,6
II. Bauabschnitt Krankenanstalten 11,5 Mio
Neubau Klingenhalle 0,6 Mio
Instandsetzung Strandbad Ittertal 1,0 Mio
Industriegelände Scheuren 0,3 Mio
Fahrbahnerneuerungen 0,4 Mio
Umbau/Ausbau Wittkuller Straße 0,9 Mio
Ausbau Verkehrsknoten Schlagbaum 1,7 Mio
Ausbau Bahnhofsvorplatz Ohligs 0,8 Mio
Ausbau Verkehrsknoten Graf-Wilhelm-Platz 1,7 Mio
Ausbau Neuenhofer Straße 1,8 Mio
Umstellung Straßenbeleuchtung von Gas auf Strom 0,8 Mio
Hauptsammler Weinsberger Bachtal 0,5 Mio
Hauptsammler Nümmener Bach 0,7 Mio
Hauptsammler Pilghauser Bachtal 0,4 Mio
Hauptsammler Altenbau 0,8 Mio
Erwerb von Grundstücken 15 Mio
Tilgung von Krediten 30,8 Mio

Schon damals standen 60 Mio DM Ausgaben 30 Mio Kredittilgung gegenüber.

Die Aufnahme von Krediten war mit 65 Mio DM etatisiert.

Ob die heutigen Probleme vielleicht schon vor 30, 40 Jahren begonnen haben?

Wohl kaum, denn anstatt Schulden hatte noch jeder Bürger ein statistisches Vermögen von 2.521 DM und "nur" 2.002 DM Schulden

 

Straßenverkehr

PKWs: 43.321 (1958: 11.968)
Motorräder: 316 (4.534)
LKKs: 2.735 (2.410)
Führerscheine neu: 4.446
Füherschein-Entzüge: 465
Verkehrsunfälle: 2.926
Getötete Personen: 23, davon 18 Fußgänger
Verletzte: 781 (davon 189 schwer), davon 216 Fußgänger
Parkuhren: ca. 600
Ampelanlagen: 110 Stück
Schilder: 1.714

 

Heute unvorstellbar, welche Zahl an Toten und Verletzten der Straßenverkehr seinerzeit verursachte.

 

 

 

 

Gedenkblatt und Briefmarken der "Maler-Sere" mit Sondernstempeln zum Jubiläum.


 

 

 

Am 23. Feburar 1374 wurde de "Flecken Solingen" Stadt. Aber jeder Solinger wird bestätigen können, dass es noch mehrere Jahrhunderte dauern wird, bis aus der Stadt wirklich eine Stadt wird und die Grenzen der ehemaligen Gemeinden und heutigen Stadtteile wirklich vergessen sind. Bis sich Walder und Höhscheider nicht mehr wie Bayern und Österreicher gegenüberstehen, anstarren und behandeln.

 

Solingen, 220.000 Tage Stadt; Herausgegeben 1974 vom Amt für Wirtschaftsförderung der Stadt Solingen, Industrie- und Handelskammer zu Solingen, Industrieverband Schneidwaren und Bestecke e.V., Solingen

Berühmt ist eine Stadt entweder für seine Bauten oder Lage, seine Produkte, für Ereignisse oder für seine Menschen.

Ereignisse, die Epoche machten, hat Solingen keine aufzuweisen, die Lage ist schön, aber profan, Bauten gibt es nur wenige, die berühmt sind (an der Spitze steht wohl die Müngstener Brücke), aber ein paar Solinger könnte man vielleicht gekannt oder noch in Erinnerung haben.

Das Heft nennt einige, es sind gewiss nicht alle:
(linke Spalte)
Jürgen Thorwald, international renommierter Autor
Walter Henkels, Journalist und Buchautor
(2. Spalte)
Ludwig Hoelscher, Cellist mit internationalem Ruf
Adolf Weil, erfolgreicher Motocross-Fahrer
(3. Spalte)
Herbert Schade, weltbekannter Langstreckenläufer
Walter Scheel, Bundesminister des Äußeren und später Bundespräsident
(rechte Spalte)
Georg Meistermann, meisterte sakrale und profane Glasmalerei

 

Solingen wird geradezu chronisch chronologisiert. Da will ich keine Ausnahme machen. Manfred Müller, Aktivist der Hangkgeschmedden, die sich mit Fleiß und Geduld um Bewahrung des Solinger Platts kümmern, schrieb eine leicht lesbare Zusammenfassung der Entwicklung Solingens und übersetzte diese gleich in Solinger Mundart. Leseprobe:

Wann sech de ierschten Menschen op dem Borm, op dem hüt Solig steiht, deelgeloten hant, kann met Secherheit hütt keiner vertellen. Do wor et büs küöhl, on plestern dät et manche Reis weekenlang an einem Striepen.

Was seit Gutenberg Usus ist, hat sich auch 550 Jahre danach in Solingen nicht herumgesprochen: den sogenannten Druckvermerk, neuhochdeutsch das Impressum, die Druckortangabe, das Herausgabedatum.

So kann man nur grob sagen: das Buch wurde in der "Ära Kaimer" (1982-1997) herausgegeben, jedenfalls schrieb er als OB das Grußwort. Selbst dass dieser Oberbürgermeister von Solingen war, wird nicht explizit vermerkt.

Dem Hinweis im Vorwort folgend, ein gewisser Hermann Josef Winkelhoch - diesen Namen kenne ich von einem ehemaligen Lehrer - hätte sich bemüht, das Manuskript in den Computer zu übertragen, darf man von einer Veröffentlichung um 1985 ausgehen.

 

Kaum zu glauben, aber wahr: so sollte einmal das Solinger Rathaus aussehen. Die Pläne wurden nie verwirklicht. Es hat frappierende Ähnlichkeit mit dem Remscheider und dem Elberfelder Rathaus und ist typisch für die damalige Zeit: der Turm als Symbol der Macht, der weithin sichtbar den Mittelpunkt der Stadt kennzeichnet.

:

 

Als Solingen 600 Jahre alt wurde, 1974, war alles auf den Beinen; buchstäblich. Der 1. Solinger Wandertag ließ über 10.000 Menschen durch die Wälder und Wiesen streifen. Auf der Festwiese oberhalb der Dorper Radrennbahn waren Start und Ziel, der Moderator machte den Losmarschierenden Mut und hielt die erschöpft Ankommenden bei Laune. Unterstützt durch Sänger und Musikanten. Und mit Hilfe einer Feldküche, die Erbsensuppe ohne Ende warmkochte. Inklusive Bockwurst, denn es war damals noch keine Null-Bock-Generation, im Gegenteil ... !!!

Hier das Dokument eines olympischen Helden: Goldmedaille nach 30 km.

 

Für alle, die damals dabei waren, die Strecke noch einmal zum Ablaufen (und sei es in Gedanken und Erinnerungen): Von der Festwiese Richtung Steinsiepen, Petersmühle runter nach Glüder; über die Brücke, rauf zur Staumauer der Talsperre, dort drüber, rechts herum die Sengbachtalsperre umrundet, auf direktem Wege nach Unterburg und dann die endlos lange Wupper entlang Richtung Norden, bei Wiesenkotten Seitenwechsel und direkte auf dem Panoramaweg der Riesenbrücke entgegen, bis knapp vor die Brücke an der B229, den steilen Berg nach Schaberg rauf (das war für viele furchtbar) und dann noch einmal im zermürbenden Hügelhüpfen bis zur Festwiese zurück. Wanderzeit für die besten: 7 Uhr los, ca. 13.30 Uhr zurück. Gratulation. Aber auch Glückwunsch an alle, die gegen 6 Uhr abends auf den Brustwarzen herangekrochen kamen.

Empfehlung: Wanden Sie diese Strecke ruhig noch einmal. Sie können ja zwischendurch in Burg übernachten.

 

 

Wer jetzt warmgelaufen war und immer weiter wanden wollte, dem verhalf Herbert Weber, einst Archivar beim Solinger Tageblatt und nimmermüder Heimatchronist, mit diesem Büchlein auf die Strecke. Diether Deneke, Minister für Ernährung, Landwirtschft und Forsten des Landes Nordrhein-Westfalen schrieb im Vorwort:

"Ich begrüße die Tatsache, daß Verfasser und Herausgeber nach dem erfolgreich verlaufenen 1. Solinger Wandertag ein Wanderbuch herausgeben, das breite Bevölkerungsschichten ansprechen wird."

Zu hoffen war, dass auch schmälere Wanderer aus der Bevölkerung den Routenempfehlungen folgen durften.

 

Verlag: I. Weber, Solingen
Umschlaggestaltung: Herbert Weber
Druck: B. Boll, Solingen
Herbst 1974

 

 

Beim 6. Wandertag, 1979, ging es ab Gräfrath, direkt neben dem Wasserturm ab; der so genannte Exerzierplatz. Britt Malmkjell hat damals übrigens noch live gesungen und etliche Show-Sieger konnten ihr musikalisches Talent zur Schau stellen.

Das Dreieck Gräfrath, Kohlfurth Burgholz/Kaisereiche bildete die Eckpunkte für den großen Kurs; die kleinste Runde führt direkt von Solingens höchstem Punkt an die Wupper und nach Buchenhofen und klomm dann wieder die Höhen hinauf, die andere 10-km-Runde teilte sich Strecken mit der Maximalstrecke, wer die Silbermedaille wollte, musste zweilmal den 10-km-Parcour laufen.