Gräfrath in den Werken de Leuws

Friedrich August, der 1817 erstgeborene Sohn des berühmten Augenarztes Hermann Friedrich de Leuw, der sich in Gräfrath niedergelassen hatte, studierte in Düsseldorf Malerei, arbeitete und lebte später in England, wo er eine Engländerin heiratete (die Ehe wurde auch ins Gräfrather Kirchenregister eingetragen). De Leuw schuf Bilder von eindringlicher Realität, die zuweilen als kitischige Banalität abgetan wurden. Doch der Wert ist immens, denn er vermag es, optisch emotionale Lichtstimmungen festzuhalten und mit viel Liebe zum Detail beschreibt der in Solingen leider vergessene, doch insgesamt beachtete Landschaftsmaler exakt Zustand und Leben der Welt um 1850, also vor etwa 150 Jahren. Manches ist wiedererkennbar, vieles hat sich logsicherweise total verändert.

 

Der Solingern Stadtsparkasse kommt der Verdienst zu, in einem hervorragenden Buch den Gräfrather Maler auch in der Solingern Öffentlichkeit stärker bewusst gemacht zu haben. Bernd Ficher und Heinz-Uwe Priefert liefern mit Werkzusammenstellung und instruktiven Texten ein Buch erster Qualität ab.

 

Herausgeber: Stadt-Sparkasse Solingen, 1988
Gesamtherstellung: Atelier Korten, Solingen
Bildfotografien: Friedrich Rosenstiel, Köln
Reproduktionen: H. P. Conrad, Solingen
Druck und Bindung: Druckhaus Knoche, Solingen

 

 

 

 

 

 

Anmerkung:
alle nachfolgenden Abbildungen wurden gegenüber den Druckbildern intensiv digital und interpretierend  bearbeitet.  - hgw

Wie viele andere Maler auch zeichnete de Leuw keineswegs unmittelbar "nach der Natur". Mit dem Skizzenbuch erarbeitete er sich die Motive, die dann im Atelier - der Rheinländer sagt "pingelig" - äußerst sorgsam ausgearbeitet wurden. Aber gerade die Skizzen sind historisch gesehen von großem Reiz, weil sie der Realität am nächsten kommen und sich mehr auf die Perspektive als auf das zuweilen idealisierte Detail konzentrieren. Diese Sicht nennt de Leuw selbst "Ansicht nach der Natur". Es ist exakt der Blick vom heutigen oberen Parkplatz am Brandteich auf die Klosterkirche.

 

Ein wenig weiter nach links - so lässt sich diese leichte Perspektivverschiebung vergleichen. Deutlich der frühere Brandteich, in der die junge Itter gestaut wurde. Heute ist hier ein Parkplatz und die Itter kanalisiert.

 

Eislauf auf der Wupper bei Kohlfurth. So sah de Leuw die Freuden des Winters am 16. Januar 1848.

 

Gerüstet mit solchen Skizzen konnte des Leuw dann im Atelier sich in aller Ruhe den Details und den Farben widmen. Erstaunlich offen und weit der Blick Richtung Wald (für Fremde: gemeint ist der Stadtteil namens Wald, kein Baumwald). Und interessant der Einblick direkt in die heutige Garnisonstraße, die direkt auf den Marktplatz zuführt.

 

 

 

 

 

Die Straße "In der Freiheit" führt direkt von Süden her kommend in den Ortskern. Der Verlauf der zur Kluser Höhe führenden Straße ist nicht mit dem heutigen Straßenzug identisch, vielmehr geht der hier abgebildete Weg in etwa am Brandteich entlang (heute Sackgasse). Sowohl Klosterkirche als auch der Ortskern selbst sind nicht maßstabsgetreu und perspektivisch gezeichnet. Als Reminiszens an die eigene Familie sieht man links deutlich das Elternhaus von de Leuw, ein noch heute existentes schmuckes Schieferhaus der Steuerberaterfamilie Jutta und Fritz Dräger. 

 

Selbstbildnis des 65jährigen Malers, 6 Jahre vor seinem Tod.

 

 

Ein nicht näher bezeichneter Kotten bei Gräfrath gibt einigen Aufschluss über die Welt von vor über 150 Jahren. Nicht nur, dass die heute so üblichen Mauern, Wege, Befestigungen fehlen und die Häuser "mitten in der Landschaft" stehen, sie sind auch teils in einem erbärmlichen Zustand. Gerade de Leuw hat in vielen seiner Bilder den Zerfall pointiert detailliert. Wenn die Relationen auf diesem Bild auch nur annähernd stimmen, dann kann man sogar berechnen, wie wenig Kraft ein solchs Wasserrad erzeugt, denn das Gefälle ist klein genug, um bei Niedrigwasser Probleme zu bereiten. Der Wirkungsgrad der hölzernen Wellen, oft nicht gerade leichtläufig in Lagern gebettet, war um etliches niedriger, als man es von mechanischen Antrieben heute gewohnt ist.

 

Wo immer der Flecken oder Winkel Dünnenbruch bei Gräfrath liegen mag, für uns foto-verwöhnte Menschen von heute ist es kaum noch vorstellbar, dass solche Landschaftsbilder früher ja die Natur ins Haus holten oder Menschen fremde Landschaften vermittelten - samt vieler Details, die man eingedenk einer völlig abstrahierenden modernen Malerei gar nicht mehr gewöhnt ist. Unten zwei Detail-Ausschnitte dieses Waldbildes.

 

 

 

Auch in andere Winkel Solingens nimmt uns de Leuw mit, hier an die Hasenmühle. 

 

Im weiten, weiten Ohligs (mindestens 5 km Fußmarsch von Gräfrath entfernt, immer die Itter entlang, ist Schloß Caspersbroich, seit dem Mittelalter ein stattliches Anwesen. Um 1838, dem Entstehungsjahr des Bildes, war es jedoch ein wenig heruntergekommen und wurde aber sehr viel später wieder liebevoll restauriert. Es ist heute in Privatbesitz. Das Bild zeigt auch hier irgendwie romantisch-idyllische Natur und ! – bergisches Wetter.

 

Dasselbe Anwesen von einer anderen Seite und in einer anderen Jahreszeit, winters.  Sowohl die Knuffigkeit wie auch die Erbärmlichkeit des Zustandes werden überdeutlich und könnten fast als "Mutter der Romantik-Bilder" gelten. Beweis: siehe unten. (Nebenbei: wenn das de Leuw wüsste: sein Bild, ölgemalt. Ein Schmuckornament aus der Gutenberg-Bibel - wirklich und echt. Plus digitale Montage nebst vorgefertigtem Rahmen - fertig ist der Kitsch, der alle Zeiten übersteht.)

 

Erfüllt die Klischeevorstellungen eines romantischen Sujets: de Leuw und seine Werke

 

De Leuws Wohnhaus samt heutiger gleichnamiger Kneipe, Gräfrath, In der Freiheit.