Taschenfahrplan Bergisch Land 1973

Es war einmal. Es war einmal eine Zeit, da gab es kein Internet. Und kein Handy. Und die Bundesbahn galt noch als zuverlässig. Und Billigflieger gab es auch noch nicht; Bahn stand für Weite, Urlaub, Abenteuer. Oder die tägliche Fahrt zur Arbeit. In jedem Fall stand Bahn für gute und viele Aufträge für spezialisierte Druckereien. Eine davon war Lucas in Wuppertal, ein nicht mehr existenter ehemaliger grafischer Großbetrieb. Rund 170 Hand- und Maschinensetzer, Stereotypeure, Flexo- und Buchdrucker, vor allem eine Heerschar von Buchbinder-Facharbeiterinnen sorgten für die Herstellung von Kursbüchern und Fahrplänen, Kalendern und Telefonbüchern in Auflagengrößen von mehreren zehntausend bis in die Millionen.

 

Solche Taschenbücher, ca. 350 Seiten Inhalt wurden zu mehreren zehntausend für jede Region gedruckt. Wer informiert sein wollte, brauchte eben Gedrucktes. Internet war zu dieser Zeit gerade erst ein den Köpfen einiger Wissenschafter eine fixe Idee. Und ein dichtes Eisenbahnnetz war längst durch Busse ersetzt worden. Obwohl auf den ersten Blick der Streckenplan Vielfalt verspricht, war er im Detail betrachtet nur so umfangreich, weil man Busse über Land fahren ließ.

 

Der gesamte Heftinhalt ist Handsatz, davon Barytabzüge angefertigt (auf besonders weißem Papier mit randscharfem Druck), diese umkopiert und davon Cyrel-Kunststoffplatten belichtete und ausgewaschen (bis dato waren Prägematern wie im Buchdruck verwendet worden und mit einer Gummilösung ausgegossen). Diese waren dann die Druckform auf einer äußerst robusten Flexorotation von Fischer&Krecke. Die lief dann in 3 Schichten, um die Menge zu bewältigen.

 

 

Noch war auch keine Rede von S-Bahn oder Elektrizifizierung von Nebenstrecken.

 

 

Der "Bergische Ring", auf dem heute der "Müngstener" verkehrt, bis Elberfeld. Lennep war früher ein Gleisdreieck, von hier ging es Richtung Oberbergisches und via Burscheid nach Opladen, Strecken, die nach dem 2. Weltkrieg keine Bedeutung mehr hatten. Dennoch waren die letzen Teile davon noch Teil des total ungetakteten Fahrplans. Andere Züge von und nach Remscheid kamen oder fuhren nach Köln, Düren, Aachen, Kurswagen bis nach Innsbruck. 

 

 

Monotype-Taster; hier waren 4 komplette Tastaturen für 4 Matrizensätze (verschiedene Schriften) untergebracht. Die Eingaben wurden auf einen Lochstreifen übertragen.


 

 

Heute völlig unvorstellbar: Das gesamte dicke Kursbuch der Bundesbahn war Handsatz! Nur mit Zulieferung von Monotype-Ziffern und Texten. Das war der Guss von Einzelbuchstaben (statt Zeilen wie bei der Linotype). Alle Spalten und Zeilen mussten einzeln von Hand umbrochen werden, die Linien eingesetzt, die Zeilen gestürzt, Ausschluss berechnet. Für die Bedeutung der einzelnen Linien (und erst recht Sonderzeichen) oder den Umbruch sich zeitlich kreuzender Züge brauchten die Setzer lange Erfahrungen. Dieser Seite sieht man an, dass sie vor dem Abzug oder dem Matern nicht gut ausgebunden bzw. formgeschlossen war. Rep. das Wort "Mönchengladbach" im Monotype-Guß war exakt 1 Punkt zu lang - aber Zeit, so etwas zu korrigieren, blieb nicht; denn nicht selten mussten mehrere hundert solcher Tabellen in wenigen Wochen von etwa einem halben Dutzend Setzern grundlegend geändert sein. Und bei manchem Fahrplanwechsel war kaum etwa zu tun. Kam immer darauf an, ob sich die großen internationalen Hauptlinien änderten, denn da mussten sich alle Regonalverbindung anpassen.

 

Diese Monotype-Gießmaschine las den Lochstreifen und ratterte "mannlos" vor sich hin und goß die Einzelbuchstaben. Man musste nur ab und zu Blei nachfüllen. Und das Lochband wechseln.

Umgestellt auf Fotosatz wurde erst Ende der 80er Jahre, damals auf ein exotisches Bedford-System; es war seinerzeit als einziges Fotosatzsystem in der Lage, "gestürzten Satz" zu machen!

 

 

 

Auf Verlangen der Bundesbahn, um nämlich Gewicht zu sparen, musste das Papier so dünn (und billig) sein, dass es opak (durchscheinend) war. Die Rückseite ist fast schon komplett zu lesen. Aber das störte niemanden. Damals jedenfalls.

 

 

Werbung 1973: Bahnfahren waren elegant und im Zug essen zu gehen ein Hach von großer, weiter, moderner und vor allem exklusiv-eleganter, luxoriöser Welt.



 

 

Als es weder Fax noch Email gab, ging es so:





 

 

 

Eine der kuriosesten Bahnbuslinien: ein Ferien-Shuttle. Vom Ruhrgebiet ins beliebte Oberbergische und Westerwald.