Erste Solinger Zeitung

Er hat tief prägenden Einfluss auf die Entwicklung dieser Stadt genommen. Der Buchdrucker und Verleger Johann Gottfried Carl Siebel, am 24. August 1782 in Neuwied am Rhein geboren, der die wohl erste Akzidenzdruckerei (nach Soter in der Papiermühle, der reiner Verlags- also Bücherdrucker war) eröffnet und kam auf die Idee, zur Verbesserung seiner Einnahmen einen Verkündiger herauszugeben. Dies waren keine Zeitung im heutigen Sinne, weil sie sich jeglicher politischer Aktivität enthielten und eher den Ausrufer ersetzten. Doch die Entwicklung, die das Blatt nahm, ist politisch genug, weil Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung. Der direkte Nachfolger des in napoleonischer Zeit 1809 gegründeten Wochenblattes ist das Solinger Tageblatt im heutigen Verlag B. Boll.

 

Die ersten Auflagen der Zeitungen waren so wenig, dass man sie nach heutigen aktuellen technischen Vorstellungen im Digitaldruck herstellen würde, wahrscheinlich personalisiert. Der Verkündiger in Solingen fing mit weniger als 50 Exemplaren wöchentlich an. In Elberfeld kamen zu seiner Gründungszeit die Allgemeine Zeitung und die Provinzialzeitung heraus, mit 800 bzw. 600 Exemplaren. Im heute Wuppertal genannten Raum wurde auch eifrig der in Dortmund verlegte Westfälische Anzeiger gelesen, während dieser an der Wupper über 160 Abonnenten zählte, kam er in Dortmund selbst nur auf 50. In Düsseldorf erschien eine französischsprachige Zeitung, der Courier du Bas-Rhin. 1809 war die Anzahl der Titel im Bergischen auf 20 angewachsen, was der Landesverwalter Beugnot als zu hoch hielt und meinte, eine einzige sei für das Bergische vollkommen ausreichend.

 

 

 

 

 

Carl Siebel war mindestens "Schweizer Degen", d. h. Setzer und Drucker zugleich. Aber mehr noch: ganz alleine, ohne Hilfskraft, war er auch noch Verleger und Redakteur. Die erste Solinger Zeitung war eine Ich-AG!

 

 

So stellte er sich der Öffentlichkeit vor:

Prof. Gerd Finkbeiner, Vorstandsvorsitzender der MAN-Roland AG: «Die gedruckte Zeitung kann sich in der Tat mit dem historischen Verdienst schmücken, Anfang des 17. Jahrhunderts erstmals eine breite Öffentlichkeit regelmäßig mit aktuellen Informationen versorgt zu haben. Sie entwickelte sich zunächst im deutschen Sprachraum und dann in Europa schnell zum beliebtesten Informationsmedium. Diese Stellung in der Kategorie der gedruckten Medien nimmt sie auch heute ein. Rund ein Viertel aller Umsätze der Druckindustrie weltweit werden mit Zeitungen erzielt. Sie rangieren damit deutlich vor Zeitschriften oder Büchern. Aber auch kulturhistorisch kommt der Zeitung eine häufig nicht ausreichend gewürdigte Position zu. Sie hat, wie kein anderes Medium, in den vergangenen Jahrhunderten zur Bildung breiter Bevölkerungsschichten beigetragen und gesellschaftliche Veränderungsprozesse mit beeinflusst. Nicht umsonst werden beispielsweise in Europa die Begriffe „Pressefreiheit“ und „Demokratie“ häufig in einem Atemzug genannt.»


 

400 Jahre Zeitungsgeschichte dokumentiert im Jahr 2005 das Mainzer Gutenbergmuseum in einer Ausstellung. 90 Prozent der Exponate stammen aus der Sammlung Stiftung Deutsches Zeitungsmuseum des Zeitungswissenschaftlers Martin Welke, links im Bild mit den Faksimiles der ersten Zeitungen. Im Jahr 1605 kam im damals deutschen Straßburg die erste Wochenzeitung mit dem Titel "Relation" aus der Druckmaschine. Herausgeber Johann Carolus hatte seine wöchentlichen Nachrichtenblätter bis dahin handschriftlich vervielfältigt, doch das war ihm zu zeitraubend geworden. Außerdem hatte er sich ausgerechnet, dass er seinen Gewinn steigern könnte, wenn er eine höhere Auflage zu niedrigerem Preis unter die Leute brächte. 150 Jahre nach Gutenberg also hatte die Drucktechnik ein neues, epochales Kommunikations-Genre erfunden. Die Zeitung, die fortan die Welt verändern sollte.

1809, als Carl Siebel seinen Verkünder für das Amt Solingen aufleben lassen wollte, herrschte der französische Kaiser Napoleon mit so genannter Eisernern Faust, unnachgiebiger Härte und träumte von einem unter seiner Regie vereinten Europa, das er durch Kriege, Zensur und strengem Staatsreglement erreichen wollte. Solingen war eingebunden in eine streng überwachte Verwaltung und insofern nimmt es nicht wunder, dass Siebel, gewissermaßen im vorauseilenden Gehorsam, in Düsseldorf bei der Landesregierung um Erlaubnis ersucht. Deren Antwort war pragmatisch: dieser Erlaubnis bedürfe es gar nicht, so lange im wöchentlich veröffentlichten Blatt kein einzig politisch Wort stünde. Was politisch war und was nicht, hielt man sich vor und übte auch später aktive Zensur aus rep. verbot schon einige Jahre nach dem Start aufgrund einer Lapalie die Herausgabe.

Der Schwager Napoleons, Joachim Murat, hatte das Herzogtum Berg vom Imperator als erblichen Eigentum geschenkt bekommen. Die Eigentümerschaft wechselte dann durch politische Umstände rasch in mehreren Personen, u. a. war ein Kind offizieller Regent. (Moment mal, mal ganz schön langsam: Ihre soeben gedachte Bemerkung, es gehe hier immer noch recht kindisch zu, wird sofort zensiert!!!!)

 

Der letzte bayerische Landesherr des Bergischen Landes, Kurfürst Maximilian Joseph, hatte 1806 die Aufhebung der bis dato existierenden Zensurkommissionen verfügt. Dafür mussten die Polizeibehörden der jeweiligen Orte über Druckereien, Verlage und Leseinstitute wachen.

Der spätere Name "Solinger Kreis-Intelligenzblatt" ist gegenüber dem "Verkünder" keineswegs eine "geistige Aufwertung", und schon gar nicht (nur) für "intelligente" Leute:

«Es sind die staats- oder stadteigenen Intelligenzblätter (lat: intellegere - einsehen), die das Anzeigenmonopol halten. Erst danach dürfen die Annoncen auch in einer Zeitung abgedruckt werden. Allerdings tragen die Intelligenzblätter dazu bei, das Angebot an gedruckter Information insgesamt zu verbreitern.»

«Im Laufe des 17. Jahrhunderts befriedigten bereits in 70 deutschen Städten Wochenblätter das Bedürfnis der Menschen, über ihre Stadtmauer hinaus in die Welt zu schauen. Andere europäische Länder zogen wenig später nach. Die erste Tageszeitung der Welt, "Einkommende Zeitungen" genannt, erschien in Leipzig. Mit Blick auf den Aktualitätsanspruch der Zeitung bedeutet auch sie Eckdatum und Meilenstein zugleich, weil der Verleger erkannt hatte, dass die Stadt als Kreuzungspunkt der Postlinien zugleich auch ein Umschlagplatz für Nachrichten war. Das war 1650. Zeitungsunternehmen schießen in der Folge wie Pilze aus dem Boden - meist sind es nur kurzlebige Gründungen und die Auflage beträgt selten mehr als 300 Exemplare. Durch das Vorlesen auf öffentlichen Plätzen oder in den Familien wird die "Reichweite" allerdings gesteigert. Generell unterliegt in deutschen Landen die Presse der staatlichen Zensur und beschränkt sich auf eine unkommentierte Informationsvermittlung. Der absolutistische Staat macht sich die "Macht der Presse" bald zu eigen und lässt den Verlegern vor allem wenig wirtschaftlichen Spielraum.» (Gerd Renken)

 

Die ältesten, noch heute herausgegebenen Zeitungen in Deutschland

Hildesheimer Allgemeine Zeitung 1705
Hanauer Anzeiger 1725
Bremer Nachrichten 1743
Gießener Anzeiger 1750
Saarbrücker Zeitung 1761
Schaumburger Zeitung, Rinteln 1761
Hersfelder Zeitung, Bad Hersfeld 1763
Lippische Landeszeitung, Detmold 1767
Wertheimer Zeitung 1772
Offenburger Tageblatt 1775
Wormser Zeitung 1775
Täglicher Anzeiger, Holzminden 1777
Goslarsche Zeitung 1783
Wolfenbütteler Zeitung und Anzeiger 1786
Haller Tagblatt, Schwäbisch Hall 1788
Tauber-Zeitung, Bad Mergentheim 1791
Jeversches Wochenblatt 1791
Lahrer Zeitung 1794
Pforzheimer Zeitung 1794
...
Solinger Tageblatt 1809

 

So hatte sich der Buchdrucker Siebel der Solinger Öffentlichkeit vorgestellt:

Gregor Andreas Geiger: «400 Jahre Zeitungsgeschichte sind auch 400 Jahre Papiergeschichte. Zeitung ohne Papier ist schwerlich denkbar. 1605 musste der Verleger, Buchhändler und Drucker Johann Carolus für seine "Relation Aller Fürnemmen vnd gedenckwürdigen Historien" auf Papier zurückgreifen, das aus Hadern, also aus Lumpen hergestellt wurde. Um diese Zeit gab es in Deutschland bereits rund 190 Papiermühlen, die auf diese Weise Papier herstellten. Lumpensammler und -händler versorgten die Papiermühlen mit dem wertvollen Rohstoff, der zeitweise so begehrt war, dass die Landesherren für ihn ein Exportverbot erhoben. In den Papiermühlen wurden die abgenutzten Leinentextilien in Fetzen geschnitten, in Wasserbecken einem Faulungsprozess unterzogen und schließlich in einem mit Wasserkraft angetriebenen Stampfwerk zerfasert. Aus dem dabei entstehenden Faserbrei wurde schließlich in Handarbeit mit einem Sieb Papier geschöpft. Erst mit der Erfindung des Holzschliffs durch den Webermeister Friedrich Gottlob Keller im Jahre 1844 und die spätere Gewinnung von Zellstoff aus Holz wurde die Papierherstellung auf eine industrielle Rohstoffbasis gestellt. Papier und damit auch Zeitungen wurden für jedermann erschwinglich. Heute wird Zeitungsdruckpapier in Deutschland vollständig aus Altpapier hergestellt - in gigantischem industriellen Ausmaß. Im Gegensatz zu den schweren Papierbögen der "Relation" des Jahres 1605 wiegt modernes Druckpapier zwischen 45 und 60 Gramm pro Quadratmeter. 2004 wurden in Deutschland 2,4 Millionen Tonnen Zeitungsdruckpapier hergestellt.»

 

 
 

Heute nennt man es "mission and vision" und jedes Unternehmen, das auf sich hält, muss nach Marketingregeln heute sagen können, mit was, warum und wie es am Markt agieren will, was der USP, das Alleinstellungsmerkmal ist und sollte Argumente listen, das Produkt zu kaufen oder die Dienst in Anspruch zu nehmen. Nicht nur in Ansätzen gut, sondern mit seriöser Akribie entledigt sich der Solinger Verleger dieser Aufgabe.

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Idealbild Gutenberg und seine Werkstatt. Siebel dürfte eine ähnliche Presse benutzt haben, denn die mechanischen Schnellpressen kamen erst Jahrzehnte später auf den Markt.

 

 

 

 

 

 

Moderne Zeitungsschriften (aus der Linotype Library):






 

"Des Lebens eigentlicher Anfang macht die Schrift", wird Schiller zugeschrieben. Sein "Kollege" Johann Wolfgang von Goethe (oben) wäre wahrscheinlich nie bekannt geworden, hätte es das Drucken nicht gegeben. Also kann er voller Bewunderung auf die Schrift schauen, und dies wortwörtlich, denn Gutenberg war nicht nur ein technischer Erfinder, er hat auch die seinerzeitige Schreibschrift der Mönche und Urkundsschreiber zu Hofe in einer hohen ästhetischen Kunst in mechanisch gegossene Bleibuchstaben umgesetzt.

Als Gutenberg die beweglichen Lettern in Europa erfand (in Asien war die Technik bereits bekannt und in Gebrauch, wovon der Mainzer aber nichts wusse), tat er etwas, was er von heutigen Banken niemals finanziert bekommen würde: eine Technik zu entwickeln, für die es keinen Markt gibt. Denn es konnten außer Mönchen/Kirchenleuten und einigen Gelehrten (was oft identisch war) kaum einer (keiner?) lesen ! Allenfalls ein paar Urkundenschreiber an den Höfen (was im übrigen Korruption à la Mittelalter bedeutete: glaube keiner Urkunde, die Du nicht selbst gefälscht oder zu Deinen Gunsten ausgestellt hast).

Und als Carl Siebel in Solingen seinen Verkünder verlegte, konnten die meisten immer noch nicht lesen. Klatsch und Tratsch zu Markte oder am Brunnen war üblich, durch die Stadt zogen Boten und riefen die Nachrichten laut aus.

Zeitungen, als sie dann politisch wurden und im wahrsten Sinne des Wortes Partei ergriffen, führten regelmäßig zu dramatischen Szenen an Stammtischen: über was kann man sich mehr und besser und öfter aufregen als über das, was in der Zeitung steht. Das gilt bis zum heutigen Tage.

 

Erst in der 88. Ausgabe, also nach mehr als anderthalb Jahren, erschien die erste Familienanzeige, eine Hochzeitsanzeige einer Familie aus Remscheid. Und eine Todesanzeige mit sehr persönlichem, mitfühlsamen Text.

 

1811 berichtet der Verkündiger, in Solingen seien 1810 insgesamt 115 Kinder geboren, 82  Personen gestorben, 30 Ehen geschlossen worden.

 

1828 erscheint die erste Anzeige in Solinger Mundart.

Und 1887 gibt es in zwei Ausgaben zum ersten Mal eine Beilage.

 

1846 beginnt das Intelligenzblatt mit der Berichterstattung über Ratssitzungen.

 

 

Vermutlich sind ab 1814 auch die "Patriotischen Blätter" in Solingen herausgegeben worden, die wohl für Zündstoff bei den Debatten gesorgt haben dürften.

Nach 13 Jahren "Verkündiger" wurde für weitere 13 Jahre "Solinger Wochenblatt" daraus, bevor der Titel "Intelligenzblatt" genehmigt und verwirklicht wurde.

Der Verleger Siebel verstirbt am 25. Mai 1855, sein Unternehmen hatte er zwei Monate vorher an den Schwiegersohn Nikolaus Joseph Hoffmann übertragen. Das Inventar bestand aus einer hölzernen Presse, 17 Setzkästen, einem Stegkasten, allerlei Vignetten.

Hoffmann "krempelte das Blatt um", es war unter dem alten Verleger eben in die Jahre gekommen. Das Zeitungformat wurde verdoppelt (von Quart auf Folio), es erscheint nun zweimal pro Woche. Der Titel wird durch einen typischen Zeitungskopf gestaltet, damals üblicherweise mit dem preußischen Adler und "majestätischer" Schrift. Auf der Titelseite stehen nun politische Nachrichten.

Ein zu früher Tod des zweiten Verlegers, Hoffmann, hinterlässt ein gewisses Chaos, mehrfach wechseln die Redakteure, bis die Witwe zum 1. Mai 1866 die Leitung an Bernhard Boll übergibt, der Druckerei und Verlag 1867 kauft. Er war am 15. 2. 1837 in Kleve geboren, ins Bergische gekommen und arbeitete bei Sam Lucas in Wuppertal als Redakteur der damaligen Elberfelder Zeitung, der Vorgängerin de rBergisch-Märkischen Zeiung.

Logisch, dass Boll erfolgreich sein musste, denn auch ich habe am 15. Februar Geburtstag und bei Sam. Lucas gearbeitet. Exakt 111 Jahre später. Alles klar?  ... *grins*

 

Ab 1. Oktober 1888 erscheint das Solinger Tageblatt werktäglich. Jetzt kommt auch schon der erste Redakteur hinzu (Mathias Schiwara), der besondere Vorliebe für die lokalen Nachrichten hat.

Berhard Boll stirbt am 24. Juni 1893, seine Witwe Mathilde Boll führt das Unternehmen weiter. Der im Jahr 1880 geborene Sohn Bernhard tritt 1990 in die Leitung des Unternehmens ein und übernimmt es zum 1. 1. 1918 ganz.

Der Nachfolger des ersten Redakteuers, Richard Dreßler, bringt vor allem viel Berichterstattung und Diskussion um soziale Belange, auch die Arbeiterbewegung, ins Blatt. Zum 100jährigen, 1903, wird die Abonnentenzahl mit 8.000 angegeben, was sicherlich gut 20.000 Leser bedeutet.

 

 (Phantasiezeichnung, kein Bild Siebels)

 

Am 1. Oktober 1912 erscheint zum ersten Mal der Titel, den das Blatt noch heute trägt: Solinger Tageblatt. Es kommt in neuer Aufmachung und neuem (Berliner) Format daher. Es wird auf einer 16-Seiten-Rotationsmaschine gedruckt. Werktäglich erscheinen meist 8 Seiten, zum Wochenende auch schon 24 oder mehr.

Nach dem ersten Weltkrieg konnte das Solinger Tageblatt nicht immer täglich erscheinen: Papiermangel. 1919 wird der Betrieb von der englischen Besatzungsmacht besetzt, Redakteur und Verleger verhaftet, das Erscheinen verboten.

Zur Inflationszeit wurden auch die monatlichen Bezugspreise leicht erhöht: erst 25.000 Mark, später 80 Millionen. Das durch die Boten eingezogene Geld wurde in Wäschekörben transportiert. Nach dem Zählen war es wieder wertlos.

Ab 1920 ist C. Müller-Sohler der Hauptschriftleiter (Chefredakteur). Und: man druckt gelegentlich schon in Farbe.

Dem Solinger Tageblatt wurde seitens des Oberbürgermeisters Dr. Otto am 15. August 1833 der Charakter des amtlichen Kreisblattes entzogen. In der Folge wurde mehrfach das Erscheinen unterbrochen.

Am 5. November 1944 wurde der Verlag durch Bomben total zerstört.

Am 1. November 1949 konnte "Bolls Blättchen" wieder ercheinen - bis heute ununterbrochen und wohl noch lange, lange Zeit ...
 

So arbeiteten früher in den 1920er Jahren Redakteure: an einfachen Tischen. Aber im Team.

 

Die Erfindung der Zeilensetzmaschinen machte die Herstellung immer umfangreicher Tageszeitungen in immer kürzerer Zeit (mit immer späterem Redaktionsschluss) möglich.

 

Gegenüber heutiger Versandraumtechnik ist das Vor-Vor-Steinzeit, wenn die Ausgaben per Hand gebündelt und zusammengelegt werden. Heute rauschen 30-40.000 Exemplare mit 100 und mehr Seitn pro Stunde durch die Maschinen.

 

Zeitungsboten. Verbindung von Verlag und Leserschaft.

 

 

Trotz Fernsehen: Zeitunglesen, überhaupt Lesen, wird bleiben. Auch wenn die Leserschaft schrumpft.

 

 

Fakten über die Zeitung

Quelle: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV)
Anja Pasquay, 2005

1. Deutschland ist ein Zeitungsland. Täglich erscheinen hier 347 Tageszeitungen mit 1.552 lokalen Ausgaben in einer Gesamtauflage von 22,1 Millionen Exemplaren. Daneben kommen 27 Wochenzeitungen mit 1,9 Millionen Exemplaren und sieben Sonntagszeitungen mit einer Auflage von 4,2 Millionen heraus. Das bedeutet: Auf je 1.000 Einwohner über 14 Jahre kommen in Deutschland 317 Zeitungsexemplare. Und unsere Zeitungen werden gelesen: Durchschnittlich 36 Minuten wenden die Bundesbürger täglich für ihre Lektüre auf; die älteren etwas mehr, die jüngeren etwas weniger.

2. Deutschland war immer schon ein Zeitungsland: Die älteste Zeitung der Welt erschien erstmals vor 400 Jahren: In Straßburg druckte und verkaufte Johann Carolus seine "Relation" genannten Nachrichten aus aller Welt, statt sie, wie bis dahin üblich, mühselig mehrfach von Hand abzuschreiben. Die älteste TAGESzeitung der Welt kommt aus Leipzig. Am 1. Juli 1650 brachte hier der Drucker und Verleger Timotheus Ritzsch erstmals sein "Einkommende Zeitungen" genanntes Blatt heraus, das sechs-, zeitweilig sogar siebenmal die Woche erschien.

3. Die lokalen und regionalen Abonnementzeitungen in Deutschland haben treue Leser. Gut 14,1 Millionen Exemplare werden täglich im Abonnement zugestellt, das heißt, durch Zeitungszusteller oder per Post bis an die Haustür gebracht. Fast eine Million Exemplare pro Tag gehen am Kiosk oder im Laden über die Theke. Die überregionalen Zeitungen verkaufen gut eine Million Zeitungen täglich im Abonnement und weitere 300.000 Exemplare im Einzelverkauf. Bei den Kaufzeitungen dagegen wird der Umsatz mit 4,8 Millionen Exemplaren täglich am Kiosk gemacht, immerhin 126.000 Exemplare werden aber auch Tag für Tag an Abonnenten zugestellt.

4. Wer seine Tageszeitung nicht abonnieren möchte, kann sie auch an einer der 115.825 Verkaufsstellen des Einzelhandels in Deutschland erwerben. Das bedeutet eine "Händlerdichte" von 1,41 Einzelhändlern pro 1.000 Einwohner. In Deutschland gibt es damit das dichteste Händlernetz der Welt. An rund 5.000 Absatzstellen wird zusätzlich internationale Tagespresse angeboten; dabei setzen Bahnhöfe und Flughäfen mit ihren rund 400 Verkaufsstellen weit über die Hälfte der internationalen Presse ab.

5. Mehr als drei Viertel der deutschen Bevölkerung über 14 Jahre (75,7 Prozent) lesen regelmäßig eine Tageszeitung. Das sind gut 49 Millionen Männer und Frauen. Bei den lokalen und regionalen Abonnementzeitungen liegen die Leserinnen (65,2 Prozent) sogar leicht vor den Lesern (63,1 Prozent). Dagegen werden Kaufzeitungen und überregionale Abonnementzeitungen stärker von Männern (27,3 Prozent beziehungsweise 7,0 Prozent) als von Frauen (17,9 Prozent beziehungsweise 4,1 Prozent) genutzt.

6. Nach Altersgruppen betrachtet, erreichen die Tageszeitungen ihre höchste Reichweite traditionell bei den 40- bis 69-jährigen Lesern, nämlich zwischen gut 78 und knapp 85 Prozent. Auch von den über 70-Jährigen greifen mehr als 83 Prozent regelmäßig zur Tageszeitung; und bei den 30- bis 39-Jährigen sind es 71 Prozent. Zwar wird von den jüngeren Altersgruppen im Vergleich weniger und weniger regelmäßig Zeitung gelesen, doch liegen auch hier die Reichweiten auf einem hohen Niveau. Von den 20- bis 29-Jährigen werden 62 Prozent durch die Zeitung erreicht; bei den 14- bis 19-Jährigen sind es immerhin 52 Prozent.

7. Die Netto-Werbeeinnahmen der Tages- und Wochenzeitungen lagen 2003 bei 4,69 Milliarden Euro. In weitem Abstand folgten das Fernsehen (3,81 Milliarden Euro), Werbung per Post (3,30 Milliarden), Publikumszeitschriften (1,86 Milliarden) und Anzeigenblätter (1,75 Milliarden). Damit sind die Zeitungen unangefochten der Werbeträger Nummer eins. Ihr Anteil am Werbemarkt allerdings geht seit Jahren zurück. 2003 betrug er 25 Prozent, 1989 hatte er noch knapp 33 Prozent ausgemacht. Das Fernsehen erlebte im selben Zeitraum einen Sprung von neun Prozent auf 20 Prozent Marktanteil.

8. Die lokalen Nachrichten interessieren die Leser in ihrer Zeitung ganz besonders, 83 Prozent lesen sie "im Allgemeinen immer". Auf den nächsten Plätzen in der Beliebtheitsskala folgen politische Meldungen und Berichte aus Deutschland (69 Prozent) und dem Ausland (60 Prozent) sowie Leitartikel (44 Prozent) und Anzeigen (43 Prozent). Besonders wichtig finden die Leser ferner Tatsachenberichte aus dem Alltag und Sportnachrichten. Nur knapp ein Drittel widmet sich dagegen regelmäßig der Kultur (31 Prozent), 27 Prozent lesen regelmäßig Nachrichten aus Technik und Wissenschaft und gerade einmal fünf Prozent legen Wert auf den Fortsetzungsroman.

9. Anzeigen in der Tageszeitung sind gewünschter Lesestoff. Nach Lokalteil, Politik und Leitartikel nehmen Anzeigen in der Lesergunst den vierten Platz ein. Obendrein gelten Zeitungsanzeigen als besonders glaubwürdig: Während zum Beispiel 82,5 Prozent der Befragten auf Werbung im Fernsehen gut verzichten könnten, legen 80 Prozent der Leser Wert auf Information durch Anzeigen in der Tageszeitung. Dabei profitieren die Anzeigen gewiss auch von der Glaubwürdigkeit des redaktionellen Teils in den Tageszeitungen.

10. Die Zeitung genießt bei ihren Lesern eine besonders hohe Glaubwürdigkeit. Einer Zeitungsmonitor-Umfrage zufolge hielten 43 Prozent der Befragten die Tageszeitung für das glaubwürdigste Medium. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen erzielte einen Wert von 27 Prozent, es folgten der öffentlich-rechtliche Hörfunk (zehn Prozent) und das private Fernsehen (sechs Prozent). Die Schlusslichter bildeten das Internet (sechs Prozent) und der private Hörfunk (zwei Prozent). Immerhin sieben Prozent der Befragten wollten sich für keines der genannten Medien als das glaubwürdigste entscheiden.

11. In den Ländern der Europäischen Union erscheinen täglich 1.350 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von gut 88 Millionen Exemplaren. Die Bundesrepublik Deutschland bietet mit 347 Tageszeitungen (davon 133 Zeitungen mit Vollredaktion, die 1.552 lokale Ausgaben herausgeben) das vielfältigste Angebot. An zweiter Stelle steht Spanien mit 135 Zeitungen. Es folgen: Großbritannien (107), Italien (99), Schweden (94), Norwegen (78), Finnland (53), Griechenland (42) und die Niederlande (32) sowie Dänemark (34). Österreich (16), Luxemburg (6) und Irland (7) bilden die Schlusslichter. Unter den neuen EU-Mitgliedern haben Tschechien (65), Polen (50) und Ungarn (34) besonders viele Titel anzubieten.

12. Bei rund 456 Millionen EU-Bürgern kommen im Durchschnitt auf 1.000 Einwohner 193 Zeitungsexemplare. Diese vergleichsweise geringe Zeitungsdichte ist vor allem auf die eher unterentwickelte Lesekultur bei den südlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zurückzuführen. So kommen in Portugal lediglich 66 Exemplare auf 1.000 Einwohner, in Griechenland 67, in Spanien 122 und in Italien 158; die höchsten Auflagen per 1.000 Einwohner weisen Norwegen (684), Schweden (590) und Finnland (524) auf. Im guten Mittelfeld liegen die Schweiz (420), Deutschland (323) und die Niederlande (319).

13. Nach Auflage stellen die deutschen Tageszeitungen mit 22,1 Millionen Exemplaren den mit Abstand größten Tageszeitungsmarkt in West-Europa, gefolgt von Großbritannien mit einer Auflage von 18,6 Millionen Zeitungen täglich. So genannte "Mittelmärkte" sind bei den Tageszeitungen Frankreich (8,0 Millionen Exemplare), Italien (7,9 Millionen) und die Niederlande (4,2 Millionen) sowie Polen (3,9 Millionen). Bei den übrigen nationalen Zeitungsmärkten handelt es sich um "Kleinmärkte" mit Zeitungsauflagen von 115.000 Exemplaren wie in Luxemburg bis zu 1,5 Millionen Exemplaren wie in Belgien und Ungarn.

Weltweit stellen die Chinesen den größten Zeitungsmarkt mit rund 85 Millionen verkauften Exemplaren täglich. Platz zwei belegen die Japaner mit 70 Millionen Exemplaren. Deutschland rangiert - nach den USA und Indien - an fünfter Position.

14. In Westeuropa existieren bei der Zeitungsreichweite deutliche Unterschiede. Die eifrigsten Zeitungsleser wohnen im Norden. In Deutschland greifen knapp 76 Prozent der über 14-Jährigen regelmäßig zur Zeitung. Dabei werden sie noch übertroffen von den Schweden (88 Prozent), Finnen (87 Prozent) und Norwegern (86 Prozent). Vergleichsweise wenig regelmäßige Zeitungsnutzer über 14 Jahre gibt es dagegen in Frankreich (45 Prozent), Spanien (40 Prozent), Italien (39 Prozent) und Portugal (38 Prozent).

15. Bereits sehr früh waren die deutschen Zeitungen im Internet präsent. Als erste machten 1995 die "tageszeitung" (taz, Berlin), "Die Zeit" (Hamburg), die "Süddeutsche Zeitung" (München) und die "Rheinische Post" (Düsseldorf) eigene Online-Angebote. Im Sommer 1996 waren nach einer Zählung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) bereits 41 Zeitungen neben der gedruckten Ausgabe auch online aktiv; im Jahr 2005 sind es weit über 600. Und ihre Zahl nimmt immer noch zu.

16. In Deutschland besteht eine erhebliche Nachfrage nach internationaler Tagespresse. Etwa 125 fremdsprachige Titel werden täglich angeboten. Besonders groß ist der Markt für türkische Tageszeitungen, allein "Hürriyet" hat eine in Deutschland vertriebene Auflage von gut 50.000 Exemplaren. Den Löwenanteil machen jedoch englischsprachige Titel aus den USA und dem Vereinigten Königreich aus. Gleichzeitig gibt es im Ausland aber auch einiges Interesse an deutschen Tageszeitungen. 1,3 Prozent der Auflage - also erscheinungstäglich knapp 400.000 Exemplare - werden jenseits der Grenzen vertrieben.

 

Die Urkunde zur ersten Zeitungsgründung in Straßburg

 

 

Von dieser "seltsamen" Branche, der früher "Druckkunst" genannten grafischen Industrie ist außerhalb der Fachkreise wenig bekannt. Gutenberg gilt als Stammvater und Held, seine Rolle ist sehr wichtig, wird aber - in der Fokussierung auf ihn - überbewertet. Wer was wann wie entwickelt hat, beschreibt in Ansätzen ein kleines Essay: "Die vergessenen Helden". Informationen für Menschen mit typophilem Interesse.