me, also ich

Es muss natürlich in der historischen Präsentation dieser Stadt - in aller Bescheidenheit - über mich berichtet werden, bin ich doch hier geboren, aufgewachsen und lebe noch hier.
Auf ein paar anderen Seiten ist nachzulesen, ob und welche Spuren dies hinterlassen hat. Hier soll die eher unauffällige Seite dem alles offenbarenden Internet anvertraut werden.

 

Jeder Mensch lebt davon, erstens in die Ferne zu schweifen und zweitens, ein Held zu sein. Beides konnte ich um 1959 beweisen, als die Schulklasse der damaligen Volksschule Zweigstraße (heute Hauptschule Brühl) die weite, weite Reise nach Burg an der Wupper zur dortigen Jugendherberge (Reisestrecke; gut und gerne 10 km) antrat, um ihre Auslandsfähigkeit (von Solingen aus gesehen) zu testen. Dabei - jugendlichen Stürmerdrang sagte man mir schon immer nach - stolperte ich in vollem Lauf kurz vor Erreichen einer kleine Sperrmauer auf dem neben der Jugendherberge gelegenen Sport- und Spielplatz und schlug, mit perfektem Purzelbaum, jenseits der Mauer olympisch korrekt in Rückenlage auf der Wiese auf.  Nun, so gesehen war damit meinem Bedarf an einer weiteren Olympiateilnahme erst einmal vollauf genüge getan.

 

 

"Die Natur ist unser Jungbrunnen"
Hermann Löns
Sinnspruch auf der Rückseite der Postkarte

Jugendherbergswerk Rheinland e.V., Düsseldorf-Oberkassel

 

In aufregende Großstädte ging es dann in den Ferien 1960. Hier fuhren wir, das heisst, man fuhr mich, von Köln aus mit dem Linienbus die B8 den Westerwald entlang, um dann in Waldernbach drei Wochen Sommerfrische, wie man es nannte, zu verbringen. Man beachte das quirlige Treiben in der City und die abwechslungsreichen Funsport-Aktivitäten am See.

Wilh. Schermuly, Lebensmittel, Waldernbach

 

Ach ja, und wie es denn der Zufall, der launige, wollte, war meine spätere Frau, eine seinerzeitige Mitschülerin, ebenfalls in diesem wie in nachweislich zwei anderen gleichen Erholungsorten, ohne dass ich es seinerzeit wusste. Ich meine, auf Waldernbach bei Hachenburg als Feriendomizil muss man erst mal kommen.

 

Wenn der Wilde Westen bereits in Solingen beginnt, so bin ich an dieser Legende vielleicht nicht ganz unschuldig. Konnte ich doch bereits 1952, im zarten Alter von immerhin schon 5 Jahren, überzeugend John Wayne doublen und auf der Teufelsinsel, der Herderstraße, die hier noch erkennbar von Schnee gesäumt ist, für Ruhe, Ordnung und Heiterkeit sorgen. Man beachte ganz einfach die Bildmitte und die mich umgebenden wunderhübschen Damen. Erkennt sich zufällig jemand?

 

Privatfoto, 16. Februar 1953, Rosenmontag

Mimik, Gestik und Intelligenz des Gesichtsausdrucks hatten bereits im Mai 1950, im zarten Alter von 2 Jahren und 3 Monaten, zu einer lebensbejahenden, ärmelaufkrempelnden Grundhaltung geführt. Immerhin zeigt die Aufnahme, dass ich ganz offensichtlich auf Umweltgeräusche oder -Ereignisse reagiere Besser als nur dastehen und stauen.)

 

Diese Angaben zeugen von kontinuierlichem Wachstum.

Weitere Notizen auf der Rückseite:
4 1/2 Mon. 2 Zähnchen
6 1/2 Monate im Ställchen gestanden
19. 12. (Sonntag) die ersten Schritte alleine

In den elterlichen Ländereien, die Mietergärten des Spar- und Bauverein-Weegerofs, konnte ich meine erste etnologische Tracht zur Geltung bringen.

Hut und andere Assecoires halfen auch garantiert beim Besuch des Märchen- und Vergnügungsparks Weck im Ittertal, um die Überlegenheit des weltgewandte gekleideten Herren von Format zum Ausdruck zu bringen.

 

Privatfotos Sept. 1940,
Lebensmonat 19

Das älteste noch erhaltende Schriftstück zeigt eine stringente Logik, was die Beschreibung der Nähe beider Elternteile betrifft. Immerhin zeigt es auch, dass im 2. Schuljahr die Beherrschung sowohl der Form wie auch der Reihenfolge der Buchstaben durchaus schon üblich war. Und das in Solingen und nicht nur in Pisa.

 

1950, privates Inkunabel-Blatt

(Sie fragen sich jetzt, was Inkunabeln sind. Ein Ausdruck aus der Druckersprache: sog. Wiegendrucke, frühe Druckwerke)

Die nachweislich älteste veröffentlichte Aufnahme des sich hier Portraitierenden in einer Solinger Zeitung: Als der ringelpullover-gedresste Einheitshaarschnitt-Jugendliche mit dem scheelen Blick zur Kamera. Der gegenüber Sitzende ist übrigens Dietmar Schaberg.

Foto: Propach
NRZ, Neue Rhein-Zeitung (Ausgabe Solingen),
1956

Der für die NZZ Solingen verantwortliche Redakteur war seinerzeit übrigens Alois Weber, der später u. a. als Kulturredakteur und zuständig für "Jugend" Großartiges für die Stadt und ihre jungen Einwohner geleistet hat.

 

Im zarten Alter von 10 Jahren konnte ich dann in der unauffälligen Kleidung eines englischen Krimanalkommissars zur Hohen Brach im Sauerland reisen, um dort zwei Eichhörnchen des Nüsseklauens zu überführen. Die lässige Haltung beweist, dass es sich um die stringente Anwendung von Logik handelt, die mir den überraschenden Coup möglich machte. 

 

Privatfoto, März 1958

1965 inszenierte Gerhard Düdden im ,Haus der Jugend' an der Dorper Straße ein christliches Musical, "Halleluja Billy". Es wurde, unter anderem, bei einem Jugendmusik-Festival in Moers aufgeführt.

Quell-Verlag Stuttgart

 

 

 

 

 

 

 

Ich hatte das Vergnügen, den Gangster-King zu geben, der beim Begräbnis eines im Ghetto erschossenen Jugendlichen ironisch die salbadernden Priester nachahmend sang:

 

(melodisch:)
Freunde, kommt und lasst uns Hallelula singen. Singen!
Denn wir können nichts als Halleluja singen. Singen!
Alle bösen Sünder soll'n zu Kreuze kriechen.
Ja! Wenn's nach uns geht, muss die Welt nach Weihrauch riechen, Halleluja, Amen.
(Sprechgesang:)
Und wenn die Ratten ein Kind holen, dann schrein sie Halleluja. Ja!
Sie singen und sie beten und sie machen ernste Gesichter als wären sie traurig, doch sie sind gar nicht traurig, denn sie schrein'n Halleluja. Ja!
(melodisch)
Halleluja, Amen!

 

Als 68er muss man sich auch heute noch dazu bekennen, dass man mal gut hielt, was in Amerika geschah und vor allem verteufelte, was in Amerika geschah. Diese Art der Schizophrenie verursachte kaum Stress, zumal sie durch eine Vorliebe zu versönlichen after-Woodstock-Songes versüsst wurde.

 

Verlag: United Artists Musik (Germany) GmbH,
6 Frankfurt/Main

 

HAIR
The America Tribal Love-Rock Musical
Texte: Gerome Ragnie, James Rado
Musik: Galt Mac Dermot

Für alle diejenigen, die auch das Privileg haben, wie ich im Zeichen des Wassermanns geboren zu sein, hier noch einmal die deutsche Original-Textfassung zum Mitsingen:

Wenn der Moooooond,
im sieb-ten Hau-se steht, _____
und Ju-pi-ter______ auf Mars zu-geht,_________
herrscht Frie______de un-ter den Pla-ne-ten,__________
lenkt Lie____________be ih-re Bahn.
Ge-nau ab dann re-giert die Er-de der Was-ser-mann,
re-giert sie der Was-ser-mann,________________
der Was-ser-mann__________
Har-mo-nie und Recht und Klar-heit,
Sym-pa-thie und Licht und Wahr- - - - - - - heit !
Niemand wird die Frei-heit kne-beln,
nie-mand mehr den Geist um-ne-beln.
My-stik wird uns Ein-sicht schen-ken,
und der Mensch lernt wie-der den-ken,
dank dem Was-ser-mann, ___________________
dem Was-ser-mann. ________

Noch eine Textprobe gefällig?

Die letzten Sterne,
noch schau'n sie uns zu!
Nun dämmert der Morgen schon,
dann geh'n sie zur Ruh!
Die letzten Sterne,
verblassen im Blau.
Wir singen als Schlummerlied für sie,
den Sing-Sang-Song im Morgengrau!
Gliddy Glup Gloopy, Nibby Naby Noopy la la la lo lo,
Sabba Sibby Sabba
Nooby Abby Nabba le le lo lo,
Tooby Ooby Walla
Nooby Abba Nabba,
Sing Sang Song im Morgengrau.