Wandern 3

Weshalb wandert der Mensch? Die Frage ist kopfstehend. Evolutionsbiologen wollen heraus gefunden haben, dass sich die Rasse homo sapiens unter anderem deshalb mental entwickeln und in Folge dessen durchsetzen konnte, weil sie mehr als andere Mobilität entwickelt hat und demzufolge "Erfahrungen" im wörtlichen Sinne machen konnte. Was dann im schwarzweißen legendären Fernseh-Zwölfteiler "Soweit die Füße tragen" gipfelte. Ist doch eine hübsche Vorstellung: mit jedem Wandersmann (die wandernde Frau kommt sprichwörtlich nicht vor) steht ein Intelligenzbolzen vor Ihnen, der Sie, bewegungsfaul wie Sie ja wahrscheinlich nun einmal sind, evolutionär zum aussterbenden Neanderthaler macht. Holen Sie schon mal die Keule aus dem Keller.

 

Sonntägliches Wandern war früher eh nichts anderes als die Fortsetzung des Alltags. Höhe und Ortschaften, die Städte lagen teils weit verstreut; lange Fußmärsche in den Kaufmannsladen oder zur Fabrik, erst recht zur "buckeligen Verwandtschaft" waren völlig normal und die Ausflugslokale hießen ja nicht von ungefähr so. Was heute mit dem Auto "um die Ecke" liegt, nötigte seinerzeit vor allem kleinen, jungen und alten, geschundenen Beinen Höchstarbeit ab und das Bier oder die Bockwurst waren mehr als verdient, sprich erwandert. Rund um die Talsperre laufen, von Ohligs nach Burg (und möglichst zurück), von Höhscheid an den Rhein und immer und immer wieder tief bis ins Oberbergische, das war vor noch gar nicht soooo langer Zeit das höchste Vergnügen. Vor allem im Frühjahr.

 

Um 1925 vom Elberfelder Emil Schulten im Selbstverlag herausgegeben

(Dank an Jörg Mortsiefer)

Ausschnitt aus obigem Buch


 

Ist doch klar. Gott hat die Welt nur erschaffen, damit es einst Solingen geben würde. Die Krönung seiner Schöpfungskunst. So liest sich, was Wanderbegeisterte zu Papier brachten und drucken ließen. Aber Papier ist bekanntlich geduldig und die Leser waren es anscheinend auch, ließen sich von der Begeisterung motivieren und wanderten in der Tat in Scharen. Es gab Volks-Wandertage (und gibt es sporadisch heute auch noch) und Wandergruppen, der Alpenverein Solingen ist einer der mitgliederstärksten Clubs der Klingenstadt, selbst die Volkshochschule bietet Ausflüge per pedes an. Kein Wunder, glaubt man dem Text, ist ja Solingen wirklich so schön wie das Paradies.


 

Und wenn der Solinger nicht wandert, dann fährt er trotz oder wegen der Berg- und Talfahrten Rad, oder lässt fahren. Immerhin muss hier Tour-de-france-ähnliches Gebiet sein, denn 1954 erkor man die Klingenstadt als Zentrum de Radweltmeisterschaft.

 

 

Die moderne Form des Wanderns: mit dem Auto. Die Landschaftsführer aus der HB-Reihe waren und sind für Millionen Menschen eine beliebte Planungshilfe. Der über das Bergische stammt aus 1981.

An der Herstellung sind nur erste Adressen aus der damaligen Blütezeit des grafischen Gewerbes beteiligt:
Satz: Alfred Utesch, Hamburg
Repro: Otterbach Repro, Rastatt
Druck: J. Fink, Ostfildern-Kemnat
Verlag: HB Verlags- und Vertriebsgesellschaft, Hamburg

 

 

Hier darf man so richtig in Klischees schwelgen: der Balkhauser und der Wipper Kotten, die Schleifertrachten bei den Hahneköppern, das urbergische Dorf Gräfrath, ganz rechts im Anschnitt eine Geflügelschau.

 

 

Und dann natürlich die Metapher vom Solinger Handwerk und seiner Qualität. Männer wie Frauen stets bei der Arbeit, heraus kommt nur Schönes.

Ja, so ist es. Wer's glaubt, hat mehr vom Leben.

 

 

Existiert noch heute und ist vor allem bei Radfahrern beliebt, weil eine ebene Strecke (selten in Solingen). Für Fußgänger eine Tortour, da direkt neben einer Nebenautobahn.

 

 

1974, zum Stadtjubiläum, gab's den ersten Wandertag, dann mehrere Jahre lang. Organisiert von Herbert Weber beim Solinger Tageblatt. Auf einer Wiese am Dorperhof, nahe Radrennbahn, war Start und Ziel. Von da gings ab durch die Wupperberge, 10, 20 oder 30 km nach Wahl. Wer auf der Festwiese blieb oder den kurzen Weg vorzog, konnte sich das "Kulturbeiprogramm" anhören. Hier setzt gerade ein Schwung Frauen zum Singen an. Ich schau vorsichtshalber schon mal weg.

 

In anderen Jahren waren Start und Ziel am Sportplatz Gräfrath, Solingens höchster Stelle. Wer dann nach der Fast-Marathon-Strecke noch gelenkig war, durfte der Vorturnerin nacheifern. Da schau ich aber mal ganz skeptisch hin.