Wasser

Solingen hat das beste Wasser der Welt. Weiches, klares Bergisches Regenwasser, in Bergische Erde gefiltert und durch die Solinger Talsperre aufgefangen. Romantik, Übertreibung, Stuss? Nee: Solingen hat eines der besten Trinkwasser der Welt. Ohne Geschmacksverfälschung, von kristallklarem Geschmack. Aber fließend Wasser ist eben noch nicht lange selbstverständlich. Gerade mal 100 Jahre ist es her, seit Rohre in die Häuser gelegt werden. Bis dahin musste Wasser an Brunnen oder in Pötts geschöpft werden. Der Begriff Pött ist uralt, im englisch pitt findet er sich heute noch und heißt ganz einfach Vertiefung, Loch, Bohrung. Die Bergleute des Ruhrgebiets fahren in den Pütt. Und in Solingen gibt es sogar noch Pöttvereine und Pöttfeste.

 

Halb Spiel, halb Teil der Ernährung: indem die Kinder hier am Gräfrather Täppken-Brunnen (Täppken, von tappen / zapfen; engl.: on tap, vom Fass) herumtollen und nebenbei mal einen kräftigen Schluck nehmen, holen sie sich, was zu Hause Mangelware ist: frisches Wasser. Man musste es in Eimern und Kannen am Brunnen holen. Mühsam. Vor allem, wenn man sich baden oder die Wäsche waschen wollte. Weshalb es früher einfacher war, mit der Wäsche zu einem Teich oder Brunen, zum Wachplatz zu gehen. So, wie dies in sehr weiten Teilen der Welt heute noch absolut üblich ist. 

 

 

Marktplätze waren immer auch Brunnenplätze. So wie hier auf dem Solinger Alten Markt war Wasser stets der Mittelpunkt von Siedlungen. Und es darf durchaus mythologisch-symbolisch ausgelegt werden, dass sich Häuser um den Brunnen gruppieren und sich nach diesem als Mittelpunkt ausrichten.

 

 

Die Schwengelpumpe im Hof. Ein bis vor rund 70, 80 Jahren eher normales Bild. Häuser (und Hofschaften) konnten da gebaut werden, wo es Wasser gab. Als Brunnen, Pött (Quelle) oder Bach. Logisch, dass Bäche eher verunreinigt wurden, wenn auch die Grundzüge der Hygiene noch gar nicht so alt sind. Davor nämlich konnte es durchaus vorkommen, dass Driethüsken (Fäkaliengrube) und Brunnen in enger Nachbarschaft standen. Frei nach dem Motto: Wat ech drenk, dat kenn ich doch.

Das Pumpen war mittelprächtig mühsam, keineswegs ein Kinderspiel, auch wenn es als solches oft benutzt wurde. Wie wertvoll den Menschen die Pumpe und das Wasser waren, ist an der oft kunstvoll-liebevollen Verzierung und Schmiedekunst zu sehen, mit der Brunnen gefertigt wurden. Allein das verwendete Eisen übertrug rasch den Geschmack auf das Wasser, so dass es frisch aus dem Brunnen durchaus einen auf der Zunge spürbaren Eisengeschmack hatte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zum Wasserholen und Aufbewahren wurden hölzerne, zinnene oder später emaillierte Eimer und Bottiche verwendet.

Die Lage der Quellen oder wasserführenden Stellen im Boden bestimmten unter anderem die Sielungsgeschichte. Die Brunnen oder Quellenfassungen an sich sind so alt wie die Besiedlung selbst, aber die Pötts als regelrechte "Wasserversorgungs-Standard" bildeten sich ab dem 16. Jahrhundert.

 

Das schönste, was es im Bergischen gibt,
das ist zu Manhaus hier der Pott
er ist schon dreihundertsiebzig Jahre alt,
und das Wasser ist noch immer klar.
1565

+ 370 Jahre = 1935

Lehner Pött, mit Schöpfeimer. Bleibt zu hoffen, dass nie ein Kind in den Brunnen fiel.

 

 

Der Unnersberger Pött. Schön, wenn man bei gutem Wetter hinmusste - man stelle sich diesen netten Lehmweg im Regen und im Winter vor. Viel Vergnügen! Und das Gewässer im Vordergrund war der Waschplatz. Auch hier: na dann "viel Vergnügen"??!! Wir warmwasser-versorgten Menschen können uns heute nicht mehr vorstellen, welche Mühsal damals das Überlebensmittel Wasser war.

 

Es mag sich ein wenig dramatisch anhören wenn ich sage, dieser Pött hat mich vor dem verdursten gerettet. Aber eigentlich war es so. Das Jahr 1959 war so heiß, dass in Solingen die Wasserversorgung auf nur noch tröpfelnde Wasserhähne reduziert wurde; Geschmack und Qualität ließen dramatisch zu wünschen übrig. Wir holten, im Weegerhof wohnend, Wasser im Einkochkessel (auf einem Bollerwagen) am Unnersberger Pött. Als 11jähriger zog ich wochenlang drei-, viermal die Woche dorthin und erinnere mich noch heute an die durch nichts zu ersetzende Köstlichkeit kühlen, frischen Wassers in brütender Hitze.

 

Die Solinger nennen solche Art, Wasser zu schleppen, "Waterpöngeln". An einem Joch, dem Querbalken auf der Schulter, sind an Ketten zwei Eimer befestigt. Eine uralte Tragemethode für schwere Lasten.

"Das Leben" im Sinne von Hausarbeit spielte sich oft direkt im Hof, vor der Türe, an der Pumpe ab. Bevor man zum Reinigen Wasser ins Haus schleppte, ging man mit Gemüse oder Salzheringen, Wäsche und vollgeschissenem Kleinkind eher schnell zum Brunnen, um (kaltes!) Wasser drüber laufen zu lassen. Das Abwasser lief dann ungefiltert in der Greute (Solinger Begriff für Abwasserrinne) weiter. Am liebsten aufs Nachbargrundstück .... ;-)
Oder Schwein, Huhn und nämliches Kleinkind tranken draus, spielten drin, suhlten in Sumpf und Lehm.

 

Pumpe am Tiefendieck 1936

 

 

Noch 1956 wurde am Hasseldeller Weg mit dieser an der Hauswand befestigten Schwengelpumpe Wasser fürs Haus geholt.

Das Plumpsclo ohne Wasserspülung war da noch in weiten Teilen Solinger Hofschafen Usus; in der Küche gab es einen "Spülstein", eine meist groß dimensionierte Steinwanne lediglich mit Auslauf. Frischwasser kam aus Eimern und Kannen. Nur ganz wenige Häuser (vor allem die "vornehmeren" und reicheren) hatten einen Brunnen mit Pumpe direkt im Haus integriert.

 

 
 

 

 Die sepia gefärbten Bilder dieser Seite stammen aus diesem Buch, einer sehr instruktiven Dokumentation im Auftrag der Stadt-Sparkasse Solingen, 1991

Graf. Gestaltung: Hannelore Krebs, Solingen
Repro: Conrad, Solingen
Druck: Hermann Ullrich, Solingen

Mit dem Bau der Sengbachtalsperre 1900-1903 bricht gewissermaßen das "industrielle Zeitalter" der Wasserversorgung für Solingen an. Vor allem die explodierende Industrialisierung, der Wasserbedarf der Betriebe und das rasche Einwohner-Wachstum machten eine Wasserversorgung nur durch Quellen und Brunnen unmöglich. Der Bau der Talsperre, eine der ersten ihrer Art in Deutschland unter der Ägide des verdienstvollen Bürgermeisters Dicke, eine weit vorausschauende Großtat. Das Stauvolumen von rund 3 Mio. Kubikmetern entsprach dem Mehrfachen der damals benötigten Menge, man rechnete also mit einem weiteren Bevölkerungsanstieg. Die Planer behielten recht. Heute wird zwar weiteres Wasser hinzugekauft (z. B. aus der Dhünntalsperre) und in Hilden (Karnap) hat die Stadt auch eine Wasserversorgung vor allem für den Bereich Ohligs, doch die Sengbachtalsperre ist auch heute ein Garant für gutes und reichlich Wasser in Solingen. Regen sei Dank.

Oben das erste Solinger Wasserwerk Grunenburg (bei Müngsten, unterhalb des Felsenkellers), rechts der Wasserturm Krahenhöhe.

 

 

 

Pumpwerk Ohligs (1975 abgerissen)

 

Wasserturm Gräfrath im Originalzustand,
 heute ein "Kunstwerk" als Lichtturm (links).

 

Unterhalb der Talsperre wurde das Pumpwerk Glüder gebaut, welches das Grunenburger Wasserwerk ablöste. Von hier, Glüder, aus wurden Solingen und Höhscheid, Dorp und andere Gemeinden mit Wasser versorgt.

Nostalgie am Wasserwerk heute: