Werbung 3

Geiz war immer schon geil und gute Werbung devot. Es gab Zeiten der Angebotsknappheit und der verstärkten Nachfrage, in denen Preise gut erhöht werden konnten. Überlicherweise jedoch waren, sind und bleiben Märkte Nachfrage-, Käufermärkte, bei denen der Preis (und zwar der niedrige) die bedeutendste Rolle spielt. Kaufen ist Beute machen, da will man eine Extraportion erjagen, gerne in Form von Rabatten und Sonderangeboten.

 

Vorauseilender Rabatt

Man findet sie unentwegt in Angeboten aus Solingen: die vorauseilenden Rabatte. Und in Sonderangeboten kannte man sich auch damals schon gut aus.

Allerdings erhoffte man sich bei so viel Großzügigkeit auch Einsicht auf der Gegenseite; mit Klein-Bestellungen war man nicht zufrieden, die Order hattten, so Herr Anton Wingen jr., "belangreich" zu sein. Will sagen: jrut on döckes.

 

 

Die später so berühmte Marke Krups während ihres Aufstieges: 1925 nach eine biedere Fabrik für biedere Küchenmaschinen. Noch nicht in Solingen, denn damals war Wald ja selbständig.

 

 Poststempel 15. Juni 1925

Ein gar köstlicher Text:

"Wir glauben annehmen zu können, daß es uns gelingen wird, Sie zufriedenstellend zu bedienen."

Das kann, wenn es ehrlich ist, so manches Unternehmen - die meisten sogar - nicht so formulieren. Allenfalls kann es hoffen, dies zu tun.

 

Muss ein toller Job gewesen sein: den ganzen Tag, oder Teile davon, Postkarten ausfüllen und Adressen eintragen und Drucksachen stempeln. Überhaupt, wenn man sich überlegt, wieviel Karteikärten und Blätter früher wegen eines Auftrages beschrieben werden mussten. Kann sich kaum einer heute noch vorstellen.

Der Solinger an sich und jedes Solinger Unternehmen ist von Hause aus bescheiden. Der beiläufige Hinweis, man selbst sei der größte, beste und überzeugendste, genügt vollkommen.

 

Katalogversand heißt die Sparte heute, und genau wie heute die Großen ein buntes Warengemisch haben, hatten es auch die vielen Solinger Versandhändler, von denen z. B. Walbusch der seriöse große geworden und die Ern-Versand-Gruppe durch dubiose Geschenkversprechen in die kritischen Fernsehmagazine gekommen ist.

Die meisten der kleinen Versandhäuser haben den Lauf der Zeit nicht in dieser Form überlebt.

 

Prospekt vermutlich um 1920

 

Was die Post jemals schnell und zuverlässig? Daran ist zu zweifeln. Denn warum hätte Kratz sonst im Prospektblatt annoncieren müssen:

"Eigene Postpaketabfertigung, daher schnellster Versand."

Vielleicht erinnert sich jemand: Fliederseife, einst der Schwarm der Großmütter.

 

Und mancher wird sich wundern: Kölnisch Wasser muss nicht nur von 4711 sein.

 

Wer hat sich damals damit gewaschen? Lanolinseife, rein und mild, und Buttermilchseife, für die verwöhnte Haut (die gleichen Sprüche wie heute !)

 

 

Kitsch gab es schon immer. Zu Ostern im Versandhandel, und für Katennärinnen. Ach wie süß.

 

Und jetzt: Erinnerungen aufgewacht ! Da sind sie wieder, die guten Manna-Bonbons, die Eisbonbons und die Hustenkaramellen. Die Erfrischungsdops, auch diese nicht von der berühmtesten Marke, von Hillers. Das Stück unter einem Groschen Großhandelspreis, ob das sich gerechnet hat?

 

Schokolade gab es auch in diesem Stahlwaren- und Gemischtversand zu kaufen. Ebenfalls zu Spottpreisen.

 

 

 

 

Und da wir uns die große Tafel ansehen, beschleicht uns ein schrecklicher Verdacht ...

... das ist doch nicht etwa, das kennen wir doch, das haben wir doch schon mal gesehen. Aber Heinen, nein, nicht Heinen. Sondern ....

 

 

... Milka !

 

 

 

 

 

 

 

Schauen wir genau hin: hier die Motive des Milka-Internet-Auftritts vom 6.3.2004.

 

Und hier die Heinen-Schokolade von ca. 1920.

Alles nur Zufall ?

Ja natürlich. Und nun beginnt die sehr spannende Frage: Ist Milka, Eigentümer Kraft-Foods Deutschland, der Besitzer der alten Marken-, Bild- und sonstigen Rechte von Heinen Schokolade oder hat eine Werbeagentur wieder einmal das gemacht, was Werbeagenturen nachgesagt wird, dass sie es tun: kräftig abgekupfert. Natürlich würde es offiziell heißen, dass aus reinem Zufall die Art Directoren zu einer zugegebenermaßen verblüffend ähnlichen, aber doch ganz eigenständigen Lösung gekommen sind. Aber Plagiat .... nein, niiiiiiemals.

Es sei denn, Milka sei in Wirklichkeit die heutige Heinen-Schokolade oder umgekehrt, Heinen-Schokolade hieße heute Milka, und wir alle ahnten es nur nicht. Kann ja sein. Branding geht Wege, die kein Verbraucher wissen muss.

Das Original  wurde nur ein wenig angepasst: die Kuh gedreht und digital nachgefärbt.

Und ansonsten: Bis ins Detail identisch. Das Matterhorn und die Bergmatten. Die Haltung der Kuh und die Kuhglocke am Band. Selbst die Schrift "Vollmilch" von der Schokoladentafel wurde einfach auf den Kuhlaib umkopiert - und siehe da, sie passt wie angegossen.

Alles nur Zufall !

 

 

 

 

Überhaupt, mit ein paar wenigen Mausklicks hat man die alte, primitive Schokoladenabbildung, im Original des Reklameblatts nicht größer als eine Briefmarke, in die Farb- und Bildstimmung der Milka Lila Kuhl verwandelt.

Alles nur Zufall ?!

 

Muu-uuuuuhhhh

Deshalb als Trost für alle Werber, die wieder einmal glauben, die beste Idee zu haben, die jemals auf der Welt gedacht wurde, eine Erkenntnis von Altmeister Schiller:

Wer kann was dummes, wer was Kluges denken,
das nicht die Vorwelt schon gedacht.

Und jetzt: Lila Pause.