2. Bergische Heimatspiele 1925

Bauten werden oft "Zeugen der Vergangenheit" genannt. Doch es sind stumme Zeugen. Viel beredter sind Drucksachen und ähnliche Dokumentationen, aus denen die Menschen unmittelbar und direkt zu uns sprechen. Das ist ja das Faszinierende am Medium Papier: Es dokumentiert die Ideen, Visionen, Gefühle und Ansichten der Menschen vergangener Zeiten auf direkte, unverfälschte Art und Weise.

 

Hunderte von ehrenamtlichen, hochrangigen und einflussreichen Männern (in den Listen der Komitees findet sich kein Frauenname), vor allem auch Mäzäne, fanden sich nach dem 1. Weltkrieg zusammen, um dem Bergischen Land wieder eine eigene - die alte - Identität zu geben. Der Bergische als Lebens- und Herkunftsgefühl sollte gerettet werden, die Heimat war ein Wert, der den Menschen offensichtlich als Orientierung dienen sollte.

 

J. F. Ziegler'sche Buchdruckerei, Remscheid

 

Staffellauf und Schauspiel, das waren die Programmpunkte der Bergischen Heimatspiele. Mit hunderten Komparsen wurde dem Leben und Tod "des größten Sohnes des Bergischen Landes, dem heiligen Engelbert" gedacht. Die ersten Spiele hatten ein Jahr zuvor, 1924, stattgefunden, die Idee sollte, so entnimmt man den Programm- und Begleittexten, zur ständigen Einrichtung werden.

"Roemryke Berge", ruhmreiches Berg (nach dem Namen des Adelsgeschlechts), war der Schlachtruf der bergischen Bauern in der legendären blutigen Schlacht von Worringen, 1288, bei der die Landesherrschaft der Bergischen entscheidend gestärkt wurde.

 

"Wieder wie im Vorjahr trifft sich das Bergevolk zwischen Rhein, Sieg und Ruhr auf seinem Landesheiligtum ..."

"Unserem bergischen Land fehlt eine geschlossene Vereinigung von heimatliebenden Männern und Frauen, die es sich zur Aufgabe macht, die Schätze heimatlicher Volkskultur zu erschließen und das heimatkundiche Gut der Vergessenheit zu entreißen ...."

"Alle, die Führerkraft in sich verspüren, denen Heimtliebe das Herz höher schlagen lässt, rufe ich zu dem Werke auf ..."

Wilhelm Becker

 

Nach rund 80 Jahren klingt es seltsam, wenn wir diese patriotischen Parolen hören. Zumal vielleicht noch die Art, nämlich die eigenbrödlerisch-dickköpfige, liberale wie streitsüchtige zugleich, geblieben, die Sitten und Gebräuche aber samt Sprache an Bedeutung verloren haben, zu weiten Teilen in Vergessenheit geraten sind. Und eine Vereinigung, geistig wie politisch, ist zwischen den Bergischen, allen stetigen Bemühen und Beteuerungen zum Trotz, nicht wirklich in Sicht.

 

Festspiele 1927: man versammelt sich auf einer Festwiese, in steiler Hanglage. Rechts die Zuschauer, links die Akteure, einige hundert Statisten sind dabei. So kann man dramatische Szenen nachspielen, besser als im Theater, zumal ein so großes ja auch nicht existent war. Woodstock à la Burg, jawohl, von diesem Flecken Erde, dem Bergischen, geht alles aus, was die Welt glücklich macht ...

 

Dichtgedrängte Menschenscharen, die ihr bestes Sonntagskostüm angezogen haben, um dem Ereignis beizuwohnen.

 

 

Im Programmheft verewigen sich die Beteiligten und werben die Kommunen für sich. Solingen stellt sich als zentrale Touristenstadt dar, ein Wunsch, der vom Selbstbewusstsein dieser Stadt zeugt.

Auskünfte konnten übrigens im Oberbürgermeisteramt eingeholt werden, Büro Mühlenplätzchen. Wie schön, dass exakt dort heute wieder eine Stadtinformation existiert. Eben: alles schon mal dagewesen.

 

Reichsbahnlinien:
Düsseldorf-Solingen;
Köln-Ohligs-Solingen (mit Wendung in Ohligs);
Elberfeld-Vohwinkel-Solingen ("Korkenzieherbahn").

Kleinbahnen, Straßenbahn:
Barmen-Elberfeld-Cronenberg-Solingen (über Kohlfurt);
Vohwinkel-Gräfrath-Solingen;
Ohligs-Wald-Solingen,
Ohligs-Mescheid-Solingen;
Köln-Mühlheim-Opladen-Landwehr-Solingen (Straßenbahn?);
Burg-Krahenhöhe-Solingen;
Remscheid-Cronenberg-Solingen (gab's das wirklich mal?)

Fernautobuslinie:
Düsseldorf-Solingen-Remscheid

Aus dem Anzeigenteil des Festheftes:

Wie ging noch mal das bekannte Knabenspiel: meiner ist länger als deiner? Da blieb es ja nicht aus, dass die Jünger Gutenbergs und ihre Herren Verleger sich gegenseitig die Führerschaft streitig machen wollten. Hatte der eine mehr Auflage, war der andere eben bedeutender. Also gilt nicht nur der passive Vergleich, sondern auch der aktive: ich kann weiter Pinkeln als Du.

Sollten Sie heute die 110 anrufen, erreichen Sie jedoch nicht mehr die Bergische Zeitung, sondern die Polizeinotrufzentrale in Wuppertal, denn für eine eigene Telefonanlage samt Bedienung fehlt der Solinger Polizei das Geld.

 

Ab 1906 gibt es Radiosendungen; einige Jahre später wird zwar der Röhrensender erfunden, doch auf der Empfängerseite ist noch Steinzeit, wortwörtlich: mittels eines elektrisch leitenden kristallinen Detektors (Quarzstein) werden elektromagnetische Wellen hörbar gemacht.

 

 

Nicht nur, dass im Bergischen Radios gebaut wurden (siehe oben), sondern auch Autos!
Die Mannesmann-Motorenwerke preisen ihren 20-PS-Viersitzer, ein ungemein beeindruckendes Auto, das mancher heute noch gerne fahren würde .... !