Kotten 4

Singende, klingende Berge nennt man das Bergische Land um Solingen. Weniger, weil die Mensche fröhlich und immer sangen (dennoch, in Vereinen taten und tun sie es oft und laut), sondern weil die Wälder widerhallten vom "Singen" und Klingen der Ambosse, der Hämmer, der Schleifräder. Dieses Sirren und Klopfen war die Melodie der Arbeit, der Takt des Fleißes oder, modern ausgedrückt, the Solingen-sound. Erzeugt auf und in unzähligen Steinen und Ambossen in dutzenden von Kotten an etlichen Bächen und der Wupper.

 

An etlichen noch heute existente Kotten führen die Wanderwege dieses Büchleins, mitverfasst von Museumsleiter Dr. Jochen Putsch. Er und sein Co-Autor K. P. Wiemer trugen fleißig Fakten und Fotos zusammen und lassen hoch interessante Details einfließen. So ist es Wanderführer und Sozialreportage, Heimatbuch und Bilderbändchen zugleich.

 

Eines der Bilder, eine alte Zeichnung des Pereskotten am Weinsberger Bach, zeigt stellvertretend, was Kotten einst wirklich waren: kleine Fabriken, kunstvolle Landschaftsbauten und Siedlungskerne gleichermaßen.

 

Interessant - unter anderem - ein paar Zahlen: von ca. 950 Einwohnern Widderter Ortschaften waren ca. 225 berufstätig und von diesen ca. 190 Schleifer. Dies zeigt die Intensität der Kleinindustrie, aber auch die totale Monokultur deutlich auf.

 

Der Weinsberger Bach (Foto links) ist übrigens einer der "fleißigsten" Bachläufe in Solingen, weit mehr als diese vier Kotten reihen sich an ihm.

Hier rauscht der Weinsberger Bach, 3 Meter vor seiner Mündung, ein letztes Mal auf. Dann fließt er direkt am Wipper Kotten in Ablaufgraben und fließt gemächlich in die allerdings heftige strömende Wupper.

 

 

Falls Sie einmal vorhaben, sich einen Kotten zu bauen, hier haben Sie einen idealisierten Bauplan für das Gelände. Achten Sie auf ausreichend Stauhöhe, denn die ist für die Kraft entscheidend verantwortlich. Und sorgen Sie dafür, dass winters nichts friert und sommers der Bach nicht austrocknet. Und keine Ottern die Ufer verwüsten ... oder kaufen Sie sich gleich einen Elektromotor.

 

 

Und nach diesem Idealbild - Vorbild ist der Futelskotten - können Sie dann gleich bauen.

 

Oder hier ein anderes Baumuster, der Glöufetnit-Kotten.

 

 

Wie groß die Schleifsteine wirklich sind, geht nicht nur aus den Zeichnungen hervor, sondern kann man auch noch am Parkplatz des Wipper Kotten unmittelbar nachmessen und in Augenschein nehmen. Bleibt sich zu wundern, wie sie früher transportiert, in den Kotten gebracht und dort auf die Achsen gehievt wurden. 

 

Besonders beliebt in Kotten war der Posten des Radwächters. Er saß an diesem kleinen Fenster, schaute den ganzen Tag auf die beiden Wasserräder und gab halbstündlich die Wasserstände durch ...

Wahr oder unwahr?

 

 

Das Wasserrad am Balkhauser Kotten

 

 

Balkhauser Kotten, Ostseite

... zu schön, um echt zu sein. Aber ein lobenswertes und hoch zu achtendes Beispiel dafür, dass man mit intensiver privater Initiative auch etwas für den Erhalt von Denkmälern tun kann. Dort ist eine "Schauschleiferei" untergebracht, die sich für Ausflüge, Events, Feien oder einfach für die Stillung der Neugier anbietet.

Allein, nach allem was ich weiß, gebricht es dem Schmuckstück an einer eigenen Homepage. Mehr als schade.

 

 
 

Nur vereinzelt haben Privatleute alte Kotten aufgekauft und nutzen sie gewerblich bzw. zu Wohnzwecken weiter. Wo es geschieht, bleibt wenigstens noch für ein paar Jahre der Charme der alten Bauten erhalten und die Erinnerung an die industriell-wirtschftliche Historie Solingens auch unmittelbar sichtbar.

Rechts der Obenrüdener Kotten, unmittelbar am Steg, der zum Rüdendenkmal führt

 

 


 

 

 

Ein schmuckes kleines Geschäft mit exquisiten und traumhaft köstlichen französischen Spezialitäten. Geheimtipp in Solingen !
Direkt in Rüden.

 

 

Ob das Leben in solch kleinen Häusern und Arbeiten in solch kleinen Werkstätten denn romantisch und gemütlich, einfach und praktisch gewesen sein mag, muss jeder selbst beurteilen. Doch eins war es sicherlich nicht: einfach.

3 Bilder aus "Technikgeschichte aus dem Bergischen Land"
Herausgegeben vom Verein Deutscher Ingenieure, Bergischer Bezirksverein
Verlag J. H. Born, Wuppertal, 1995

 

 

Sieht ja schön aus, Pfeife rauchend aus dem Fenster auf das Wasserrad zu schauen. Aber wie feucht muss es in diesen Bretterverschlägen gewesen sein, besonders in der kalten Jahreszeit ?!

Luhnshammer im Eschbachtal

 

Und so ganz sicher scheint der Schaltkotten bei Müngsten auch nicht gerade auf dem kleinen Inselchen zu stehen, dass sich durch den angelegten Wassergraben ergibt.

 

 

Wie wichtig die ständige Verfügbarkeit von Wasser war zeigt dieses Bild vom Kupferhammer im Bergischen Land. Ein extrem großer Stauteich soll dafür sorgen, dass immer Wasser wallet, wahrlich, ein wirklich wahnsinnig geheimnis Ort abseits zwischen den dunklen Wäldern- Grusel, Grusel.

 

Kottenhexen

   

Mit unglaublicher Ignoranz sind die Solinger seit Jahrhunderten mit dem Thema Kottenhexen umgegangen. Sie haben deren Existenz ganz einfach geleugnet. Wahrscheinlich aus purer Angst. Jeder Kotten und jede Mühle, die ja fast immer in dunklen engen Bachtälern lagen, hat nämlich - ähnlich wie Schlösser und Burgen ihren Geist - die eigene Hexe gehabt. Die Schabernack spielte, das Schütt verstellte zum Beispiel, die Kerle spinnen ließ oder sie zum Trinken brachte, die beim Schleifen für unruhige Hände sorgte oder auch nur ganz einfach nachts und an Abenden ums Haus schlich (wahrscheinlich aber flog) und dabei gruselige Lieder sang; so schaurig, dass oft die Schleifsteine barsten. Da Hexen naturgemäß das Licht scheuen, sind sie auch fast nie fotografiert worden. Mir ist es jedoch gelungen, im fahlen Morgenlicht eine fluchende Hexe zu erwischen und sie gerade noch so zu fotografieren. Wahrscheinlich ist dies die einzige Aufnahme einer Kottenhexe - allerdings sieht man sie in der Verkleidung als harmlose Hausfrau noch oft an Solinger Dürpeln mit dem Besen in der Hand. Achten Sie mal drauf. Vor allem freitags.