Kotten 5

Wo an der Beek d'r Kotten steiht, ben ech jeboren, hann ech jedronken manchen Kloren  ... heisst ein altes Solinger Lied. In der Tat, "no'm Kotten jonn" war die Lebenserfüllung eines Solingers - und nicht selten auch das einzige, was ihm übrig blieb, wollte er eine Familie (mehr schlecht als recht) ernähren. Die Kotten haben in größerer Zahl bis kurz nach dem ersten Weltkrieg überlebt. Dann war auch dieses Zeitalter der Stadtgeschichte endgültig vorbei. Ein bemerkenswertes Buch hält fest und listet akribisch auf, welche Kotten einst Solinger Bäche säumten.

 

Hut ab vor dieser Fleißarbeit. Kaum ein Kotten, zu dem Autor Lunkenheimer nichts Intensives zu sagen weiß. Zusammengetragen aus vielen Archven und Eintragungen, mit reichlichen Illustrationen. Es hält eine Zeit lebendig, die so kaum noch jemanden in Erinnerung sein kann - weil schon viel zu lange her.

 

Autor: Ludwig Lunkenheimer
Landschaftsverband Rheinland / Landeskonservator Rheinland
Arbeitsheft 33, 1990
Lithos: Peukert, Köln
Satz und Druck: B Kühlen, Mönchengladbach

Zu späteren Zeiten waren Kotten oft regelrechte kleine Fabriken; nicht nur mit Wasserkraft betrieben, auch mit Dampf und später Elektrizität. Einige solcher größerer Fabrikgebäude mit "moderner Energie" erhielten dann den Namen "Maschinn". Die meisten aber blieben zumindest in der Nähe der Ursprünge, erst später, durch die Dampfkraft und Elektrizität, konnten die Fabriken auch auf den Bergrücken angesiedelt werden. Das Dorf Solingen wurde zur Industriestadt.

 

Petersmühle; Lithographie von Hermann Rabitz, 1890

Die fleißigen Solinger Bäche:

I = Itterbach (von Gräfrath an Wald vorbei Richtung Ohligs, Hilden, Benrath)

L = Lochbach
(zwischen I und L der Walder Höhenrücken)

V = Viebach (der "Merscheider Bach"; Südostseite ist der Mangenberger Höhenrücken)

N = Nacker Bach
P = Pilghauser Bach
W = Weinsberger Bach
ein Merscheider und zwei "Höhscheider Bäche"

S = Schellberger Bach
B = Bertramsmühler Bach
zu Dorp gehörig

 

 

F = Fleußmühler Bach; nahe Kohlfurt mündend

P = Papiermühler Bach

Wp = Wupper

Die roten Markierungen geben die ungefähre Lage und Dichte der ehemaligen Kotten wieder.

 

(Karte nicht maßstäblich !!)

Vollständige Liste:



Kotten und Mühlen sind mehr oder weniger ein- und dasselbe: Wasser wird Kraft für Räder oder Hämmer umgesetzt. Und Schwerter Schmieden und Papier machen haben ebenfalls Ähnlichkeiten: Aus der Bütte wird geschöpft, das Papier getrocknet und dann gehämmert; genau so, wie der Stahl "gekocht" und dann gehämmert wird. Logisch, dass es auch in Solingen Papiermühlen gab.

 

Altenbau Papiermühle (Gemälde): Hier wurden "Schwerter des Geistes" gefertigt. Eben Papier, das als Drucksache half, die Welt zu verändern.

 

Wie hält man ein Wasserrad auf? Am wenigsten geeignet ist, es mit den Händen anhalten zu wollen. Das macht man nur einmal. Und tut sonst nie wieder etwas. Dem Rad wird einfach kein Wasser zugeleitet. Entweder das Schott (Schütt) am Teich oder Zulauf geschlossen oder wie hier das Wasser über das Rade hinweggeleitet. Denn mann kann ja nicht einfach dem Kotten weiter bachabwärts das Wasser vorenthalten. Das gäbe Zoff. Und die Zöppken müssten Zöffken heißen.

 

Krüdersheimer Mühle; romantisches Bild eines mühseligen, aber immerhin auskömmlichen Lebens.

 

Papiermühler Kotten mit deutlichen Eisspuren am Rad.

Und solches Eis bedeutete "Arbeitspause". Denn man brauchte stets tröpfelndes Wasser auf dem Schleifstein. Floss es nicht, konnte nicht geschliffen werden. Solinger, so erinnert sich Klaus-Michael Lohe, hatten ihr eigenes Schleif-Thermometer entwickelt. Abends hing man einen nassen Lappen um die Klinke der Kottentüre. Früh morgens musste der Lehrjunge nachschauen, wie steif er gefroren war und dann durfte er die Häuser/Wohnungen der Schleifer "abklabastern", um Bescheid zu sagen "to kault tom schliepen". Die kuschelten dann länger im feuchtwarmen Strohbett. Und verdienten nichts, deshalb war Frost auch ein Einfrieren des Einkommens.

 

Becher Mühle

Was macht der Schleifer sonntags? Da lädt er seine Frau zur Kahnpartie ein, direkt vor dem Haus.

 

Gut zu erkennen, dass Kotten und Mühlen nicht unbedingt von einer Ortschaft begleitet sein mussten.

 

Kellershammer, hier drehte man nicht nur ein ein großes Rad, sondern insgesamt auch viele.

 

"Gelogen wie gedruckt" sagt das Sprichwort und die grafische Sparte tat zuweilen viel dafür, dass zumindest optisch gelogen wurde. Diese "Burgthaler Fabrik", nordöstlich der Kreuzung Eschbachstraße / Westhausener und Burgtalstraße ist wieder einmal in der Manier der vorigen Jahrhundertwende überdimensioniert gezeichnet. Alles ist zwar in der Realität vorhanden, nur nicht so, wie man es im Bild sieht. Kein "See" mit Segelboten, sondern ein überschaubarer Teich, die Burg-Wermelskirchener Eisenbahn fuhr vor dem Haus, aber nicht à la "Großer Bahnhof", die Müngstener Brücke ist zwar irgendwie "nahe" Burg, aber bei weitem nicht so nahe, dass man sie sehen könnte. Und der Gebäudekomplex war niemals so groß, bei weitem nicht. Die fotorealistische Aufnahme zeigt wesentlich bescheidenere Gebäude an einer schmalen Straße, nicht an einer Allee. Und Fontänen im Park - nun ja, man mag sie sich wünschen, vorhanden waren sie so nie.

(Das Haus rechts ist das, welches auf dem Briefbogenbild oben über den Buchstaben "hrö" im Namenszug Schröder zu sehen ist.)

 

Am Eschbach gar sind manche Schmieden und Kotten fast schon wie Häuschen aus dem Märchenland. Im ewigen Dunkel der Wälder und der Feuchtigkeit des engen Bachtals.

 

Mühlen- und Kottenromantik auf den ersten Blick. Feuchtkalte Wohnstätte auf den zweiten. Und "am Ende der Welt" auf den dritten.