Lokale 1

Folgt man den Erzählungen der "Alten", war es in Solingen noch nie schlecht um Gastronomie bestellt. Ob Ausflugslokal oder das Glas-Bier-Geschäft an der Ecke, ob bürgerliches Restaurant oder Tanzlokal, von allem gab es reichlich. Berühmte Namen sind darunter, die ehestiftend (sonst gäb's den Autoren dieser Zeilen nicht) gewirkt haben oder als "Reiseziel" pünktlich zu Ostern, Pfingsten oder Vatertag angesteuert wurden. Einige der legendären, teils heute noch quicklebendigen Institutionen: der Bergische Hof in Aufderhöhe, Fähr oder Haasenmühle, Zur alten Deele, Cafe Kersting, der Volksgarten, die Spar- und Bauvereins-Siedlungsgaststätten im Weegerhof und Kannenhof, Ittertal, der Engelsberger Hof, Vogels Chrest, Glüder .... und und und.

 

"Wat et nit al jöt", würde der Solinger jetzt sagen: eine Rattenfalle, in der man Bier trinken kann und bei der nicht die Müse, aber eben die Ratten über Tische und Bänke springen und Skat spielen. Das jedenfalls vermittelt diese Postkarte und die Frage ist, ob die stolze Gemeinde der Trinker am nächsten Morgen einen Kater oder eine Ratte hatte.

 

Gruss aus der Rattenfalle.
Inh. Friedr. Meis, Kölnerstr. 96
1. Bier-Restaurant und Stehbierhalle (stets 6 Sorten Bier im Stich.)

Solingen, den 5. April 04

 

Café Wolfertz am Mühlenplätzchen

"Herzl. Glückwunsch zum neuen Jahr wünscht nachträglich dein Bruder Rudolf"

Poststempel 5. 1. 1907

 

Von gefälligem bürgerlichem Charme das Innere des Cafés. Das Gesamtdesign lässt sich als Jugendstil identifizieren, die Stühle sind auch heute, 100 Jahre danach, immer noch ein Klassiker (Thonet-Stuhl) und die Lampe - auf der Grenze von Schnörkel und klarer Linie - wäre heute ein Vermögen wert und fände begeisterte Liebhaber.

 

 

Die legendären "Bäckerjungen" gab es wirklich, stellen Nachgeborne erstaunt fest. Mit dem Brot- oder Brötchenkorb korb unter'm Arm bot er einen Service, den man in der viel gescholtenen Service-Wüste Deutschland heute so vermisst. Wäre doch schön, morgens läge das dampfend warme Brötchen wieder vor der Haustüre ...

 

 

Firmenschild über dem Cafe Wolfertz:

"Kaufm. Unterrichts-Institut
Wilh. Steinhausen
gegründet 1895"

 

 

 

Rückseite der Postkarte:

"Volksgarten-Terrasse
Bes. Willy Clauberg
Solingen-Krahenhöhe, Schützenstr. 204
Am Fuße der Müngstener Brücke gelegen
Große Festsäle, Gesellschaftszimmer für Vereine u. Belegschaften.
Großer Küchenbetrieb bis zu 800 Personen."

Da hat der liebe Herr Clauberg aber wohl arge Mühe zu erklären, wieso die Krahenhöhe am Fuße der Müngstener Brücke gelegen sein kann.

Poststempel: 29. 1. 1940

 

Den Volksgarten als Terrain-Name gibt es noch*), das Lokal nicht mehr.

*) An Solingens einzigem "5-Straßen-Stern" Krahenhöhe, denn hier kommen zusammen Schützenstraße, Klingenstraße, Remscheider Straße, Schaberger Straße und Burger Landstraße.

 

 

In den ersten Kriegsjahren des 2. Weltkrieges  waren "Zucht und Ordnung" noch ehrenwerte Tugenden, und so marschierten nicht nur die Soldaten unter den Hakenkreuzfahnen auf, sondern die Stühle und Tische standen in "gleichgeschalteter" Formation in Spalieren an. Wohlfühlen in der Masse war angesagt und die Persönlichkeit wurde gefördert, indem sich alle einreihten.
Manchmal, so scheint mir, sind die Zeiten zurückgekehrt, wenn auch die Symbole heute ganz andere sind - die Markenzeichen der freien Wirtschaft trimmen das Volk auf geistigen Gleichschritt. Immerhin, es wäre um Dimensionen harmloser als einst.
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Volksgarten wörtlich: ein Garten, in dem das Volk sich verlustieren kann. "Hier können Familien Kaffee kochen"? Oder gegen Korkgeld (bzw. sog. Krongeld) die mitgebrachten Weine und Spirituosen trinken. Für die Kinder gibt's dann "Quatsch", Himbeersirup mit Wasser. Ohne Eis, versteht sich.

 

 

Der Kannenhof, neben dem Weegerhof und den Siedlungen rund um den Böckerhof eine der Muster-"Dörfer" des Solinger Spar- und Bauvereins. Hier verwirklichte man schon in den 20er Jahren Lebensqualität für Arbeiterfamilien. Das Restaurant war in Solingen eine "feste Größe" und der Botanische Garten, jetzt in der Nähe des Klinikums, hat hier seine Ursprünge.

Der Eingang in der Nahansicht.

"Gasstätte Kannenhof
Inh. Hugo Stader
Großer Saal, Garten mit Tanzfläche, Terrasse,
2 Kegelbahnen"

Poststempel 21. 9. 1942

 

 

Palmen mitten in Solingen - und das auch schon vor Jahrzehnten. Da sage keiner, diese Stadt sei nicht so etwas wie die Welt im Kleinen.

 

 

Mit ziemlicher Sicherheit in Burg stand dieses Lokal, vor dem wahrscheinlich der Patron persönlich nebst Gemahlin postiert.