Sozialdemokratie in Solingen 2

Sozialdemokratie hat ihre Wurzeln im (ungehemmten) Kapitalismus, der Übermacht der Herrschaft der "Fabrikanten", der Fabriken, der Produktion und der Produkte. Längst haben sich die Strukturen - weltweit - geändert. "Arbeiter", Angestellte, laufen in "Boss"-Anzügen einher wie stolze Gockel, Teams sind "angesagt" an Stelle des dominanten Patriarchen, Eigenverantwortung und Initiative, Kennzeichen des Unternehmertums, wird verpönt, eine Portfolio-Analyse steht an Stelle des gesunden Menschenverstandes. Kein Wunder, wenn sich in einer Welt der Weicheier und Bangböxen (Solinger Ausdruck für Angsthasen) auch Firmen und Organisationen verflüchtigt haben, die nichts anderes hatten als ihren eigenen Mythos. Was sich auch an lokalen Beispielen belegen lässt.

 

Ferdinand Lasalle

Geboren am 11. April 1825 in Breslau als Sohn jüdischer Eltern. Seine Ideen eines sozialistischen Programm, das er dem kapitalistischen Lohnsystems entgegensetzt, führen letztendlich zur Gründung der SPD. Einer der Kernpunke: ein "ehernes Lohngesetz" soll den Arbeitern einen Verdienst garantieren, der die Existenz sichert. Sein Wahlspruch:  "Einheit der Individuen in einem sittlichen Ganzen". Freie und allgemeine Wahlen waren für ihn selbstverständlich, aber auch Organisationsformen, die später im Sozialismus Urstände feierten, etw Produktions-Genossenschaften. Konservativ blieb er bei der Staatsform und befürworte ein sozial und demokratisch ausgerichtetes Königtum. Lassalle starb an den folgen eines Eifersuchtsduells mit dem Rumänen Janko von Racovitz wegen Helene von Dönniges am 31. August 1864 in Genf.

Lasalle studierte 1843-46 Geschichte und ließ sich vor allem durch Hegels Ideen begeistern. Er schloss sich 1848 Marx und Engels an (u. a. Redakteur bei der Neuen Rhein. Zeitung) und kam durch politische Aktivitäten mehrfach in Haft. 1863 gründete er den "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein" (ADAV), Vorläufer der SPD später hervorging. Lasalle ware bis zu seinem Tode Präsident des ADAV.

Am 11. April 1863 geben die Solinger (Gräfrather) Arbeiterführer Abraham Willms und Carl Klein eine "Beitrittserklärung des Solinger Arbeiterbildungsverein zu den sämtlichen Beschlüssen des Zentralkomitees und der Arbeitersammlung des 24. März d. Jahres zu Leipzig" ab, nachdem sie dort bereits an der Versammlung teilgenommen hatten. Die Solinger Arbeiterschaft wird damit zu sehr frühen Mitgliedern der neu entstandenen Sozialdemokratie. Der Ortsverein Gräfrath der Solinger SPD hat diesen historischen Bezug nie öffentlich deutlich gemacht (wie ohnehin die SPD vergaß, was sie einst wollte).

 

1863 gründete Ferdinant Lasalle den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein!
1869 wurde in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei von August Bebel und Wilhelm Lieberknecht gegründet.
1875 erfolgte die Vereinigung von dem ADAV und der SDAP (Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands) zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) in Gotha.
1891 gründete sich aus der SAP die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, die SPD, unter Mitwirkung von Karl Kautsky. Bei dieser Parteibildung wurde das “Erfurter Programm“ entwickelt.
1917 spaltete sich diese entstandene SPD in einen linken Flügel unter Rosa Luxemburg, der sich USPD nannte und in einen Revisionistenflügel unter Führung von Eduard Bernstein, sowie in eine Richtung des Parteizentrums unter Bebel, der seit 1867 Parteivorsitzender war und Kautsky, welche einen marxistischen Mittelkurs vertraten.

 

Merkwürdige Schreibweise: während Lasalle in der gesamten Literatur "französisiert" mit einem s in der Mitte und mit e nach dem Doppel-l geschreiben wird (Lasalle) und was zur Betonung des zweiten a führt (la'sāll) , hält der Grabstein richtigerweise "Lassal" fest, was sich folglich mit Betonung auf dem ersten a spricht. Das Geheimnis: offensichtlich schämten sich die Schlesier für ihre Abstammung und den ursprünglichen Namen Lossel (mundartlich für Loslauer) und benannten ihn in Lassel um. Erst später Lasalle hatte intensiven Kontakt zu französischen Sozialisten   wurde der Namen in die französische Form überführt. Insofern "geistert" der Gründer der deutschen Sozialdemokratie mit falschem Namen durch die Geschichte. Aha. Erklärt manches. Vielleicht hieß Schröder ja ursprünglich Schrotter.

 

 

Fotos: Werner Deichmann

 

Die Konsumgenossenschaften waren die Hoffnung und Strategie der Gewerkschaften und Sozialdemokratie, von "kapitalistischen" Versorgern unabhängiger zu werden - und damit im Bereich der Versorgung Einkommen und Gegenwert anzupassen und den Arbeitern ein wenig "Wohlstand" zu bringen. Inzwischen wissen wir, wie sehr die Experimente schief gegangen sind, wie auch der letzte Rest von unternehmerischer Betätigung "über die Wupper ging".

 

Wie man sich irren kann. Es ging keine 100 Jahre mehr so weiter mit dem DGB. In Solingen hat er kein eigenes Büro mehr, wird als Bezirk Bergisch Land von Wuppertal aus vertreten (Hans Peters) und erst jetzt wurde ein ehrenamtlicher DGB-Vorstand neugegründet mit dem 1. Bevollmächtigten der IG Metall Remscheid-Solingen, Michael Mahlke, an der Spitze. Viele der in dieser Gratulationsanzeige vertretenen Gewerkschaften haben längst mit anderen fusioniert oder eine neue gegründet, wie ver.di

 

Alle Abbildungen und Jahreszahlen aus:
100 Jahre SPD in Solingen
Herausgegeben vom SPD Unterbezirk Solingen
Verfasser: Arthur Killat, MdB

Doch dies ist nicht die das einzige Dokument einer längst untergegangenen Epoche. Mher als drei Viertel aller Annoncen in diesem Heft stammen von Firmen und Marken, die heute nicht mehr oder nicht mehr in dieser Form bzw. Selbständigkeit exisiteren. Nebenbei haben inzwischen die Gewerkschaften so ziemlich alles, was ihnen mal unternehmerisch gehörte, in den Sand gesetzt.

 

 

 

 

 

Natürlich, werden da einige sagen, ließe es sich nicht vergleichen. Was früher geschah und was heute geschieht. Aber sollte es nicht doch zu denken geben, dass auch offensichtlich 80jährige "Konjunkturförderung" und -Belebung kaum zu einer Stabilität geführt hat. Wenn man heutige Politik mit der von damals vergleicht, viel hat sich nicht geändert. Wer des Volkes Stimme haben will, fördert die Einzelnen und verteilt Geschenke. Das macht gefügig und weckt Hoffnung auf Mehr. Auch wenn die Hoffnung in der Sache nicht gerechtfertigt ist.

Schreiben des Solinger Bürgermeisters vom 15. Februar 1933 an eine Ohligserin.

Was früher Reichszuschuss hieß, sind heute EU-Subventionen. Name und Schrift haben gewechselt, dazu ein paar Begriffe, mehr nicht.

 

 

 



«
Wer von einer Partei Realismus erwartet,
darf auch vom Papst Wunder erwarten.
»

 

 

Der Papst ist nicht
göttlich ...

Kirchen sind eine durch und durch elitäre Institution zur Erlangung und Erhaltung von Macht.
Macht, aus der sich persönliche Vorteile ergeben.
Das Produkt und die Methode zugleich, dies zu erreichen, ist Einflussnahme auf die
Gefühle und den Glauben
der Menschen.
Und zwar mittels dogmatischer Paradigmen, die in der Summe sich selbst als unfehlbar beweisen sollen und die
Kompromisse ausschließen.
Der Anspruch ist stets ein totalitärer.
Das Eigentliche, nämlich die
geistige Auseinandersetzung mit einer dem Geist unfassbaren Welt hinter der sicht- und erlebbaren Welt,
wird ritualisiert, zelebriert,
interpretiert
- aber nicht
individualisiert.

 

... und die SPD nicht
die Sozialdemokratie

Parteien sind eine durch und durch introvertierte Institution zur Erlangung und Erhaltung von Macht.
Macht, aus der sich persönliche Vorteile ergeben.
Das Produkt und die Methode zugleich, dies zu erreichen, ist Einflussnahme auf die
Sehnsüchte und Wünsche
der Menschen. 
Und zwar mittels dogmatischer Paradigmen, die in der Summe sich selbst als unfehlbar belegen sollen und die
Toleranz
ausschließen.
Der Anspruch ist stets ein umfassender.
Das Eigentliche, nämlich die
konsequente Entwicklung und Verwirklichung einer gerechten, freien und verantwortungs-bewussten  Gesellschaft
wird ritualisiert, zelebriert,
formuliert - aber nicht
realisiert
.

 

 


« Der tragische Irrtum vieler Menschen ist die Annahme, eine Partei diene den politischen Zielen der Bürger. Aus dem im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland enthaltenen simplen Satz "Die Parteien wirken bei der Willensbildung des Volkes mit" (Art 21 Abs. 1 GG) ist längst die Tatsache geworden "Parteien dominieren die gesellschaftliche politische Betätigung". Sie wurden zu personen-dominierten kollektiv-diktatorischen Systemen mit einer pervertierten Pseudo-Demokratie. Fulminant zufällige Stimmverhältnisse in einem undurchschaubaren Sitzungs- und Gremiengeflecht sowie gezielte Indoktrination und Informations-Manipulationen erzeugen Beschlüsse und Verhältnisse, die einem ideologischen Gemetzel "jeder gegen jeden" nahekommen. »

aus: introvertiert, eine Analyse der Politik in Solingen, 2004
Autorengruppe futur3

 

 

 

Sozialdemokraten haben anscheinend eine genetisch verwurzelte Sehnsucht nach (politischem) Selbstmord ...